Ramona Wulf, Sängerin, Mitglied bei "Silver Convention" und Heilpraktikerin
Hallo Frau Wulf, wie geht es Ihnen heute? Trauern Sie den alten Zeiten ein bisschen nach?
Nein, das kann ich nicht sagen. Klar, ich wert-schätze die alten Zeiten; es war damals genau das Richtige für mich. Ich habe es geliebt, auf der Bühne zu stehen und auch viel zu reisen. Aber alles zu seiner Zeit. Heute sind andere Dinge für mich wichtig.
Wie kamen Sie einst zur Musik?
Ich kam als Tochter eines afroamerikanischen US-Soldaten und einer deutschen Mutter auf die Welt. Von klein auf habe ich es geliebt, zu singen. Als ich 1969 in Frankfurt/Main an einem Gesangs-Wettbewerb teilnahm, hatte ich Glück. Ich lebte lange in der Familie meiner Tante und ihres Mannes. Mein Onkel erkannte mein Gesangstalent. Er war es auch, der mich ermutigte, am Talentwettbewerb teilzunehmen. Ich wurde tatsächlich entdeckt und nahm kurz darauf meine erste Single-Platte: "Du- ich brauche was und das bist du" auf.
Sie können auch - aus einer Zeit vor "Silver Convention" - auf eine erfolgreiche Solo-Karriere zurückblicken. Mit Schlagern wie "Alles was wir woll'n auf Erden" und "Liebe ist für alle da" waren Sie Stammgast bei Dieter Thomas Heck in der berühmten ZDF-Hitparade. Welche Erfahrungen machten Sie bei dieser Veranstaltung? Gab es Anekdoten hinter der Bühne?
Ach Gott, damals war ich noch blutjung, da war an nächtliche Partys nicht zu denken. Stattdessen blieb ich grundsätzlich im Hotel und probte meistens mehr oder weniger noch für den bevorstehenden TV-Abend. Es war total aufregend, und ich hatte immer großes Lampenfieber. Insgesamt herrschte bei der berühmten Hitparade hinter den Kulissen - dank Dieter Thomas Heck - stets eine angenehme und recht herzliche Atmosphäre.
Dieter Thomas schaffte es immer, uns alle mit seiner unterstützenden Art zu beruhigen. Ja, es war wirklich eine gute Zeit. Mit "Silver Convention" waren wir auch mehrfach bei Ilja Richter in der "Disco" zu Gast. Ilja ist ein ziemlich intelligenter Mensch, der sehr spontan agieren kann. Es hat auch großen Spaß gemacht dort aufzutreten.
Wie kamen Sie schließlich zur Formation "Silver Convention", also zu Michael Kunze und dem Komponisten Sylvester Delay?
Ich war schon sehr früh, als junger Teenager, im Musikgeschäft und arbeitete mit dem Komponisten und Musikproduzenten Ralph Siegel zusammen. Als ich ihn bat, meine Gesangsrichtung und mein Image etwas ändern zu dürfen, stellte er mir eines Tages den Autoren und Songschreiber Michael Kunze vor. Mit ihm habe ich dann erstmal solo gearbeitet und die deutsche Version des englischen Hits: " Sugar Candy Kisses" aufgenommen und veröffentlicht. Als Michael Kunze kurze Zeit später dann die Idee hatte, eine Disco-Formation aus der Taufe zu heben, wurde ich ein fester Bestandteil der Gruppe SC.
Wie entstand die Disco-Formation genau?
"Silver Convention" wurde in München von dem erfolgreichen Texter und Produzenten Michel Kunze und dem begnadeten Musiker und Komponisten Silvester Levay gegründet. Die Gruppe war ein typischer Vertreter des sogenannten Munich-Sound, einer speziellen Art der Disco-Musik der 70er. Nachdem sie mit der ersten Singleveröffentlichung "Save Me" im Jahre 1975 einen Hit im Vereinigten Königreich landen konnten, mussten schnell weitere Songs produziert werden. Gleichzeitig sollten auch die Voraussetzungen für Live Auftritte geschaffen werden. An dem Projekt SC waren mehrere Sängerinnen und Sänger beteiligt, so war beispielsweise mein erster TV Auftritt in London mit "Save Me" noch mit Jacky Carter.Kurz nach der TV-Show in London 1975 war ich zusammen dann mit meinen Kolleginnen Penny Mc Lean und Linda G. Thompson schließlich Teil der Gruppe. Mit unseren Singles "Fly Robin Fly" und "Get Up and Boogie" schafften wir große internationale Erfolge. Wir waren erst der zweite deutsche Act, der erste Plätze in den US-Charts erreichte.
Wovon leitete sich der Name "Silver Convention" ab?
Namensgeber für "Silver Convention" wurde unser Kollege Sylvester Levay, dessen markanter Spitzname "Silver" sich hervorragend dafür eignete.
Wie war Ihr Gefühl, als die Single "Fly Robin Fly" Ende 1975 die Pole Position der US-Billboard-Charts knackte und ein halbes Jahr später der Nachfolger "Get up and Boogie" zur Nummer Zwei avancierte?
Klar, das war ein supertolles Gefühl. Allerdings waren wir zum Zeitpunkt als "Fly Robin Fly" Nummer 1 wurde, bereits auf Diskotheken-Tournee in Deutschland und standen in einem kleinen Ort auf der Bühne. Wir konnten unseren Erfolg erst später nachfeiern. Irgendwie blieb bei mir ein seltsames Gefühl zurück. Amerika, der Ort unseres Erfolgs, lag Tausende Kilometer entfernt, und daher bekam diese Situation für uns einen unwirklichen Charakter. Das Unglaubliche war ja real und wir hatten, wie eingangs erwähnt, ein tolles Gefühl. Überhaupt spürte ich, wie wertschätzend wir im Ausland empfangen wurden, und fühlten uns daher auf unseren Reisen immer ziemlich wohl. Obwohl wir hierzulande gleichzeitig natürlich auch unsere Erfolge hatten und hier unseren Fans immer dankbar sind.
Haben Sie zu dieser Zeit oder danach nochmal erwogen, in deutscher Sprache zu singen?
Nein, es kamen dazu keine Angebote mehr ins Haus.
In wie weit hatten Sie und Ihre Kolleginnen in Ihrer Formation bei den Kompositionen und der Performance Mitsprache?
In die Performance mischte sich Michael Kunze so gut wie gar nicht ein. Dafür hatten wir Choreographen, die sich letztendlich ihrer Freiheiten erfreuten. Ein wichtiger Punkt war, dass bei Veranstaltungen fast stets live gesungen wurde. Das hieß für unseren Tanzstil, diesen nicht zu akrobatisch zu gestalten. Denn wer auf der Bühne mit gutem Gesang glänzen will, darf sich nicht durch zu viel Bewegung der nötigen Luft berauben.
Welchen Rat würden Sie jungen Talenten mit auf den Weg geben? Was halten Sie von diesen Casting-Shows (z.B.: DSDS)?
Ja, ich schaue gelegentlich Casting-Shows. Was ich jedoch jungen Künstlern rate: Ihr braucht besonders am Anfang Eurer Karriere unbedingt ein zweites Standbein. Denn Ihr wisst nie, wann Eurer künstlerischer Weg zu Ende ist. Und dann solltet Ihr nicht vor dem gesellschaftlichen Aus stehen. Besonders jungen Talenten kann ich dies nur ans Herz legen.
Treffen Sie Ihre Kolleginnen Penny McLean, Linda G. Thompson noch? Besteht noch Kontakt?
Ja, natürlich treffen wir uns regelmäßig. Meine Kolleginnen Penny McLean und Rhonda Heath sehe ich immer, wenn sie in Berlin sind, da beide Kinder haben, die hier wohnen. Linda G. Thompson sehe ich hauptsächlich in München, da sie relativ selten hier in Berlin ist. Uns verbindet alle eine wertvolle Freundschaft.
Was interessiert und bewegt Sie heute?
Nachdem meine drei Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, hatte ich mich wieder anderen Interessen gewidmet. Besonders seit der Zeit im Jahr 2010, als ich meine Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Erfolg abgeschlossen habe, verschoben sich meine Schwerpunkte im Leben etwas. Fortan trat mein früheres Engagement für die Kirche ein bisschen in den Hintergrund. Ich bin bis heute ohne Frage ein religiöser, spiritueller Mensch und stehe allen Religion offen gegenüber. Mir ist klar, dass es viel mehr gibt, als wir sehen oder berühren können. Es wäre schön, einen persönlichen Beitrag für eine bessere Welt leisten zu können. Meine Familie war mir stets sehr wichtig. Auftritte auf Galas oder in Talk-Shows sind rar geworden. Einladungen für spezielle Events nehme ich hingegen gern an.
Würden Sie wieder aktiv ins Musik-Business zurückkehren?
Es gibt immer wieder mal Anfragen und Einladungen für TV-Shows, die ich für gewöhnlich, sofern sie interessant sind, auch gern annehme. Regelmäßige Projekte hingegen, welche eine dauernde Aktivität erfordern, würde ich ablehnen müssen.
Frau Wulf, herzlichen Dank für das ehrliche und offene Gespräch!
Das Gespräch mit Ramona Wulf führte Joachim Eiding
music4ever.de - Interview - Nr. 115 - 12/18