Natürlich, dieser Name dürfte einigen noch etwas sagen. Allerdings nur älteren Semestern, welche die Sechziger noch erlebten. Ja richtig, aber wer war diese "Sandie Shaw" eigentlich genau? Und wo kam die nun betagte Dame ursprünglich her? Dann müsste es hartgesottenen Schlagerfreunden allmählich dämmern. Jaa, war das nicht die hochgewachsene Engländerin, die mit dem berühmten Song "Puppet on a String" Ende der Sechziger - genau 1967 - in der Wiener Hofburg den Eurovision Song Contest (ESC), damals als "Grand Prix Eurovision de la Chanson" bekannt, haushoch gewann? Aber Moment, gab es da nicht bei ihrem Auftritt einen kleinen, vielleicht auch mittelgroßen Skandal? Na klar, Musikfans von der britischen Insel erinnern sich verzückt an dieses Event: Sandie Shaw verzichtete - wie so oft in ihrer Karriere - an diesem Abend auf jegliches Schuhwerk und betrat die Bühne barfuß. Mein Liaber - und das ausgerechnet im ehrenwerten Gemäuer des früheren österreichischen Kaiserhauses, den Habsburgern.
Das Tor zum Erfolg
Mit diesem Riesenerfolg stieß die schlanke Sängerin das Tor zu einer internationalen Karriere weit auf. Allein hierzulande führte "Puppet on a String" acht Wochen lang die Hitparaden an. Keine andere britische Sängerin schaffte es bis zum heutigen Tag, diese Erfolgsbilanz zu übertreffen. Da Sandie seit 1965 ebenfalls in deutscher Sprache sang, stellte die deutsche Version "Wiedehopf im Mai" für sie kein unüberwindliches Problem da. Wie nur wenigen bekannt sein dürfte, liebte die Künstlerin ihren Song überhaupt nicht. Sie befürchtete, er könne ihre Glaubwürdigkeit ernsthaft beschädigen. Doch schließlich gab sie dem Druck ihres Managers nach, sehr zum eigenen Vorteil. Allerdings galt die Engländerin nicht garade als Neuling im Musik-Business. Denn bereits drei Jahre vorher erklomm Sandie Shaw mit "(There's) Always something there to remind me" aus der edlen Feder von Burt Bacharach und Hal David in den Charts der britischen Insel eine Spitzenposition.
Als die smarte Sandra Ann Goodrich im Februar des Jahres 1947 in der Grafschaft Essex das Licht der Welt erblickte, konnte noch niemand ahnen, dass aus dem Mädchen in fernen Tagen einmal eine der angesagtesten britischen Sängerinnen werden sollte. Anfang der Sechziger traf sie nämlich auf das ehemalige Teenie-Idol Adam Faith, welcher unzählige andere Stars entdeckt hatte. (So gefiel ihm beispielsweise Jahre später die reizvolle Stimme von Leo Sayer.) Für die damals noch blutjunge Sandie Shaw kam dies mit einer Eintrittskarte in den Showrummel gleich. Und Adam Faith schnappte sich gleich den englischen Songwriter Chris Andrews ("Yesterday Man"), der fortan so ziemlich alle Lieder von Sandie schrieb. Zwar entwickelte sich ihr erster Streich - die Kurzrille "As long as you're happy" - leider zum Flop. Umso besser für Mrs. Shaw, gleich das hitverdächtige Opus "(There's) Always something there to remind me") nachzuziehen, wie eingangs beschrieben. Wie über Nacht wuchs die junge Dame zu einem immerhin nationalen Star heran. Weiteres Vinyl wie "Girl don't come", "I'll stop at nothing" und "Message understood" festigte ihren frühen Ruhm. Doch das alles entscheidende Ereignis war ihre Teilnahme am Sängerwettstreit 1967 in der Wiener Hofburg.
Im tiefen Dunkel des Musikgeschäftes
Nach 1969 verschwand Sandie Shaw zunächst für viele Jahre im tiefen Dunkel des Musikgeschäftes. Erst zu Beginn der Achtziger meldete sie sich mit einem zauberhaftem Remake des Warwick-Klassikers "Anyone who had a Heart" gekonnt zurück und kletterte bis auf Platz 3 der Insel-Charts. Fachleute sprachen von einem genialen Comeback. Einige Platten folgten dem Beispiel, fanden aber trotz großen Lobes der Presse nur schwer den Weg in die Plattenschränke. Wie schon einmal Jahre zuvor wurde es bald still um den einst so gefeierten Showstar. Schließlich zog sie Anfang der Neunziger einen Schlussstrich und kehrte dem Musikbusiness den Rücken. Nicht zu ihrem Schaden, überraschte sie doch ihre Landsleute mit neuen Talenten.
Zunächst machte sich die Künstlerin einen Namen, als sie begann, Kinderbücher zu illustrieren. Ferner wagte sie sich als Studentin an die Hochschulen von Oxford und London, um Psychologie zu studieren. 1994 verließ Sandie die Universität als ausgebildete Psychotherapeutin und gründete kurz später die so genannte "Arts Clinic" - eine Anlaufstelle für Menschen aus dem Showbiz mit seelischen Problemen. Übrigens bringt Sandie in aller Stille immer noch Lieder auf den Markt, welche alle im Trend liegen.
Tony Bedford, der Dritte
Privat lebt die Dame in dritter Ehe mit einem gewissen Tony Bedford zusammen. Sie genießt das Leben und engagiert sich, wo immer es ihrer Meinung nach nötig ist. In diesem Sinne beteiligte sie sich 2012 an einer Aktion von "Amnesty International", die gegen Menschenrechtsverletzungen in Aserbeidschan - dem Gastgeber des ESC von 2012 - vorging. Als die dort bekannte Journalistin Khadija Ismayilova mit pornographischen Bildern und Videos erpresst wurde, erklärte Mrs. Shaw angewidert: "Dass jemand beim Versuch, eine unabhängige Journalistin mundtot zu machen, so weit geht, ist unerträglich." Auch politisch ist sie aktiv: Sandie Shaw unterzeichnete 2014 - also ganze zwei Jahre vorm Brexit - als eine von 200 öffentlichen Personen eine Petition an die britische Zeitung "The Guardian" in der Hoffnung, in einem neuen Referendum stimme das schottische Volk für den Verbleib im Verbund des Vereinigten Königreiches. Bleibt die Erkenntnis: Trotz einiger tiefer Krisen ist die engagierte Sängerin bis heute in Europa ein großer Star, auf allen Bühnen präsent.
Joachim Eiding
Quellen: www.wikipedia.org - www.steffi-line.de - www.chartsurfer.de - www.eurovision.de
music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 118 - 07/19