"Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde", verkündeten die vier wilden Musiker der Rockband "The Who" gegen Mitte der Sechziger. Was sich für die beiden Überlebenden der Truppe - Roger Daltrey und Pete Townshend - nicht erfüllte. Im Gegenteil, Roger feierte am 1. März seinen immerhin schon 75. Geburtstag - für einen erfolgreichen, etablierten Rockstar und Frontmann ein nahezu biblisches Alter. Gleiches kann sein alter Kollege Pete Townshend, ein Jahr jünger als Daltrey und das Mastermind der Gruppe, von sich behaupten. Das weltbekannte Duo, beide noch erstaunlich rüstig, planen für dieses Jahr gar noch ein neues The-Who-Album. Und ganz nebenbei präsentiert der Sänger in diesen Tagen noch seine Autobiografie "My Generation - Die Autobiografie".
Erst Aristocats, dann Detours
Doch wie begann für Pete Townshend, John Entwistle, Keith Moon und eben Roger Daltrey die ganz große Rock-Karriere? Es war 1960, als die damals blutjungen Musiker Pete Townshend und John Entwistle in einer Jazzcombo namens "The Aristocats" spielten. Schließlich lernte Bassist Entwistle in einer Straße in London den Rock-Sänger Roger Daltrey kennen. Dieser fragte ihn, ob er seiner Gruppe - den "Detours" - beitreten wollte. Als John aber meinte, er sei doch bereits in einer Band, hatte Daltrey das bessere Argument: "Ja, aber meine verdient Geld!" Gesagt getan - Entwistle schloss sich Daltreys Truppe an.
Roger, einst ein erfolgreicher und engagierter Schüler, war Ende der 50er Jahre mit einer Zigarette in den Klassenräumen erwischt worden. Nach weiteren Prügeleien kehrte er der Schule zwangsmäßig den Rücken und schlug sich zunächst als Elektronikarbeiter, dann als Blechschlosser durch. Bis er schließlich die Popband "The Detours" gründete. Diese Zeit war für ihn wohl der entscheidende Funke, der ihn später zum Star machen sollte. "Von dieser Zeit an hörte ich Elvis Presley und von Lonnie Donegan wollte ich nichts mehr wissen."
Das Mikrokabel als Lasso
Schließlich rauften sich die Vier zusammen, als anno 1965 Frontmann Roger Daltrey "My Generation" ins Mikrofon mehr stotterte als sang. Wobei er das Mikrokabel wie ein Lasso schwang, sein Kollege Pete Townshend seine Gitarre in den Raum wirbelte, Bassist John Entwistle wie eine Wachsfigur in der Ecke stand und "Enfant terrible" Keith Moon sein Schlagzeug wie ein Tier traktierte. Die irre Bühnenshow von The Who galt als absolut unvergleichlich, wild und brutal. Ehrlich gesagt, sie mussten was bringen, da die Konkurrenz groß war. Während die Beatles weltweit berühmter waren, und die Rolling Stones als Sex-Symbole durch die Lande zogen, galt "The Who" eben als die ultimative Live-Band.
Untereinander, so erzählt Roger Daltrey, wechselte das Klima von frostig bis nebeneinander her. Während seine Kumpane häufig schwere Drogen konsumierten, blieb Roger clean und regelte in diesen Phasen alles Wichtige. Der Sänger organisierte bei Tourneen die Busse und den Transport der Instrumente. Gleichfalls chartete er, wenn nötig, Flugzeuge und sorgte fürs passende Hotel. Wer nun glaubt, der ausdruckstarke Sänger könne kein Wässerchen trüben, irrt. Aufgewachsen in Londons Arbeiterviertel Acton, fiel er seit jeher durch seine Gewalt auf, prügelte sich mit allen und jedem wegen irgendeiner nichtigen Sache. Einmal griff er Pete Townshend bei den Aufnahmen fürs Konzept-Album "Quadrophenia" an, worauf ihn die anderen aus der Band warfen. Er durfte erst zurück, als er sich gebessert hatte.
Girls, Girls, Girls
Und dann spielten auch die Mädels eine große Rolle bei Daltrey, auch wenn der Autor dieses Kapitel im Buch fast ganz totschwieg. Vielleicht aus Rücksicht auf seine Familie. Noch Jahre später meldeten sich Frauen auf der britischen Insel, sie hätten ebenfalls ein Kind von dem Sänger. Gehen wir mal davon aus, die Vier von The Who ließen nichts anbrennen. Trotz allem galt das originelle Quartett nie als ein Herz und eine Seele. Was besonders bei allem Talent für den Frontmann der Fall war. Als dieser nämlich einmal, nachdem er mal wieder die Faxen dicke hatte, einige der Drogen seiner Kameraden kurzerhand ins Klo warf, schmissen ihn diese aus der Band. Roger durfte erst zurück, als das Publikum das verbliebende Trio auf der Bühne gnadenlos auspfiff. Trotzdem ignorierten ihn danach die Herren Townshend, Entwistle und Moon für sehr lange Zeit. Sowohl Daltrey als auch Townshend meinen dazu übereinstimmend, sie waren "vier Leute, die nie gemeinsam in einer Band hätten sein dürfen". Einige Autoren gehen sogar weiter und vertreten die These, die Band stand permanent kurz vor ihrem Aus.
Die Musik von "The Who" mag bis heute rebellisch klingen, Roger wandelte sich jedoch im Lauf vieler Jahre. Heute interessiert er sich eher für Modelleisenbahnen, fürs Angeln und für die häusliche Gartenarbeit. "Man wird einfach erwachsen" verriet er den "Irish News". Jetzt sei er ein vergleichsweise alter Mann, sinniert weise: "Man schaut plötzlich durch das richtige Ende vom Teleskop aufs Leben, und alles ergibt Sinn."
Joachim Eiding
Quellen: www.thewho.de - www.riverdale.k12.or.us - Richard Barnes, Internet - Abendzeitung, München
music4ever.de - Anekdote - Nr. 117 - 04/19