Tja, welche Superlative es braucht, ihn sachlich und auch respektvoll zu beschreiben, mag jeder selbst erahnen. Brian May, der außergewöhnliche Gitarrist und ruhige Gegenpol zur quirrligen Diva Freddie Mercury, kann sich bis heute vor Ehrenbezeugungen aller Art nicht retten. Zu markant bleibt der Sound seines Lieblingsinstrumentes im Ohr haften. Mochte sein Freund und Kumpel Freddie weltweit als Showman glänzen, komplettierte der stille, kühl wirkende Brite das Quartett "Queen" musikalisch mit seinen eigenen zumeist härteren Songs. Denn, auch wenn es nicht allen bewusst ist, stammen eine Vielzahl der Lieder eben von Mr. May, beispielsweise "Now I'm here" (1975), "We will rock you" und "Tie your Mother down" (beide 1977), "Fat Bottomed Girls" (1978) und ebenso "I want it all" (1989). Somit stand Brian auf Augenhöhe mit Freddie auf der Bühne. Übrigens steuerten die zwei anderen Queen-Musiker, Drummer Robert Taylor und Bassist John Deacon, ebenso einige Werke zum Repertoire der "königlichen" Gruppe bei.
Das Leben des Brian
Brian May, Jahrgang 1947, spürte bereits in frühen Jahren den Ruf der Musik. Im zarten Alter von fünf Lenzen schenkten ihm seine Verwandten seine erste Gitarre - ein spanisches Akustik-Instrument. Um den elektrischen Klang zu imitieren, bastelte sich Klein-Brian einen so genannten Single-Coil-Tonabnehmer und nutzte das familiäre Radio als Verstärker. Später spielte er Stücke aus dem Radio nach und verbesserte auf diese Art und Weise seine Fähigkeit als Gitarrenvirtuose. Seine andere Liebe soll hier nicht verschwiegen werden. May schaute gern hinauf ins nächtliche Sternenzelt und begann sich für Astronomie zu interessieren. Auch hier bastelte er sich ein eigenes Gerät - ein eigenes kleines Teleskop. Beide Reiche - das der Musiknoten und jenes der Sterne - sollten das "Leben des Brian" prägen.
Zunächst plante Brian seinen Weg als Astronom, belegte am Imperial College in London die Fächer Physik und Infrarotspektroskopie. Und in der Musik schafften es Brian und seine Band immerhin als Vorgruppe von Branchengrößen wie Jimi Hendrix, T. Rex, Traffic und Pink Floyd. Aufgrund personeller Querelen brach die erste Gruppe auseinander, und 1968 stellte Brian mit Roger Taylor und Freddie Mercury die Band namens "Smile" auf die Beine. Doch nur um zwei Jahre später das gleiche Schicksal zu erleiden. Erst im April 1970 hoben die drei Musiker ihr erfolgversprechendes Projekt "Queen" aus der Taufe. Nur ein Bassist fehlte bislang; dies zwang die Freunde, bei diesem Instrument mit wechselndem Personal aufzutreten. Erst später trafen sie John Deacon, der das Trio nun endgültig zum Quartett vervollständigte.
Drei Jahre im Studio
Über Kontakte gelang es May, freie Zeit für ein Studio zu ergattern. Hier probten die Vier nun auf professionelle Art und nahmen sich für den Schliff ihrer Musik ausgiebig Zeit. Insgesamt gingen drei ganze Jahre ins Land, als sie der Rockwelt ihr Debütwerk "Queen" vorlegten, mit der ausgekoppelten Kurzrille "Keep yourself alive". Obwohl der Lead-Gitarrist May an Hepatitis erkrankte, schaffte "Queen" bald den internationalen Durchbruch. Nicht zuletzt dank des Albums "Sheer Heart Attack" und der Meistersingle "Killer Queen" von 1974. Fortan blieb die Band für fast 20 Jahre on Top. Meilensteine wie "A Night at the Opera", "A Day at the Races", "News of the World", "Jazz" und "The Miracle" setzten in der Szene außerordentlich große Maßstäbe, an denen sich manch andere Interpreten messen mussten. Obwohl, bei klarem Licht betrachtet, viele ihre Musik als kühl, ja sogar mitunter als kalt empfanden, riss es die imposante Bühnenshow jedesmal wieder raus. Vor allem wegen der ekzentrischen Auftritte des legendären Frontmanns Freddie Mercury. Wenn er mit rotem Cape, fast wie ein König auf den Brettern, die die Welt bedeuten, umherstolzierte.
Arbeit als die beste Medizin
Anfang der 90er schlitterte Brian May in eine gefährliche psychische Krise, ausgelöst von mehreren negativen Erlebnissen: Erst scheiterte Brians's erste Ehe, dann starb sein Vater, und schließlich verlor Freddie Mercury seinen Kampf gegen die Immunschwäche-Krankheit AIDS. Der Künstler verfiel in schlimme Depressionen und dachte gar an Suizid. "Ich betrachtete mich als vollkommen krank. Ich war verletzt und zerbrochen", erklärte der Musiker und wies sich selbst in eine Klinik in Arizona ein. Um seine innere Trauer zu bewältigen, stürzte er sich nach und nach in seine Arbeit. Das Resultat: Sein erstes Solo-Album "Back to the Light", verbunden mit einer aufwändigen Promotion-Tour. Ferner kehrte May Ende 1995 ins Studio zurück, um mit den verbliebenden Queen-Kollegen die letzte Langrille der Truppe "Made in Heaven" aufzunehmen. Neben den letzten Gesangsstücken von Mercury bietet es auch neu eingespielte Songs der übrigen Mitglieder. "Eine Platte, die so rätselhaft wie eindrucksvoll ist", orakelte der "Spiegel".
Nach einigen Solo-Projekten, die ihm nicht immer guttaten, arbeitete er zur Jahrtausendwende mit Robert Taylor und Ben Elton am Musical "We Will Rock You". Premiere fand am 12. Mai 2000 im Londoner Dominion Theatre statt. Einen weiteren denkwürdigen Auftritt lieferte Brian May am 3. Juni 2002, als er zu Ehren des goldenen Thronjubiläums von Königin Elisabeth II. auf dem Dach des Buckingham Palastes die britische Nationalhymne als Gitarrensolo zelebrierte. Zurück auf die Bühne zog es ihn ebenfalls, allerdings mit Roger Taylor und dem neuen Frontmann Paul Rodgers. Der Gastmusiker, vorher bei "Free" und "Bad Company", galt zu keiner Zeit als Mitglied von "Queen". Zusammen füllten die Musiker jedoch weltweit viele Hallen.
Gestatten? Dr. Brian May!
Wie eingangs beschrieben weist Brian May breitgestreute Fähigkeiten und Kentnisse auf. Im Jahr 1974 hatte er ja seine Doktorarbeit vorzeitig abgebrochen, um genug Zeit als Musiker zu haben. Gut 30 Jahre gingen ins Land, als Brian seine Promotion doch noch mit Erfolg abschloss. Der frisch gebackene Doktor der Astronomie blieb seinem Institut als Gastwissenschaftler treu. Aus Protest gegen die Fuchsjagd auf der britischen Insel überwarf er sich mit der konservativen Partei und gründete die Tierschutzorganisation "Save Me", mit dem Vorsatz, alle Tiere vor unnötiger Grausamkeit zu schützen.
Und was zu guter Letzt die Politik angeht, unterstützte Brian May überraschend bei den Wahlen gar die grüne Kandidatin Caroline Lucas. Als sein Kernthema entpuppte sich der so genannte "Brexit". Mit David Cameron und Theresa May ging er stark ins Gericht. "Es ist ein Desaster, weil die Verluste, die dadurch entstehen, für uns gewaltig sein werden", schimpft der Gitarrist. "Der Brexit ist das Dümmste, was Großbritannien in meiner Lebenszeit je gemacht hat." Zwar habe das Volk per Votum entschieden, jedoch war den englischen Bürgern, so May, die Tragweite dieser Entscheidung kaum bewusst.
Joachim Eiding
Quellen: www.brianmay.com - www.faz.net - Das neue Rock-Lexikon, Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos und Bernhard Halbscheffel, Rowohlt - www.welt.de - www.n-tv.de
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