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Tina Charles

Tina's Single "You set my Heart on Fire", discogs.com

Ach ja, die alten Zeiten. Was war das schön, diese Lockerheit, diese Meinungsvielfalt. Und erst die Musik. Zwischen Disco-, Soul-, Bump-, Glam- und Punk-Klängen bewältigten wir den Alltag oder gingen noch zur Schule. Jeder, der mit Wehmut (mancher vermutlich auch mit Wermut) an die alten Tage denkt, schaut nachts gen Himmel, in die Sterne. Unangemeldet klopft dann die Frage ans Hirn, warum kann es nicht wieder so sein wie damals? Als es noch einen Bundeskanzler namens Willy Brandt gab und seine Ostpolitik, und die Nachwehen von Woodstock sogar die Politiker und Wirtschaftskapitäne beschäftigten. Ja, dazu erleichterte uns Pop- und Rock-Musik aus dem Radio das Leben um so Vieles.

Erst Airbus, dann 5000 Volts

Als einer der Stars der zugegebenermaßen leichten Muse erwies sich Mitte der Siebziger die walisische Sängerin Tina Charles. Trotz kleiner Statur, umfasste ihre kräftige Stimme mehrere Oktaven. Manche ihrer Lieder gelten immer noch als ziemlich schwer interpretierbar. Womöglich half ihr aber ihre durchaus beachtliche Leibesfülle, um als Renonanzkörper ihrem Gesang die nötige Kraft zu verleihen. Oder wer denkt nicht gleich an Tina's Superhit "I love to love" zurück, rund um den Erdball in den Charts. Oder etwa an den ersten Achtungserfolg "I'm on Fire", den sie mit der Pop-Gruppe "5000 Volts" (anfangs hießen sie noch "Airbus") erlebte. Blenden wir aber, wie so oft an dieser Stelle, in die Vergangenheit zurück.

Einst begann Tina Charles ihren Weg in einer Soldatenbar bei London, damals als Livesängerin. Nach einigen erfolglosen Kurzrillen in den Jahren 1969/70 wendete sich das Blatt erst, als sie auf den Musik-Produzenten und Sänger Martin Jay traf, welcher gerade die Studioband "Airbus" zusammenstellte. Sofort avancierte Tina zur Frontfrau und Sängerin der Truppe. Mit "I'm on Fire" und "Motion Man" gelangen der Combo beachtliche Erfolge. Doch leider kehrte Mrs. Charles ihren Kollegen den Rücken, beseelt vom Gedanken, eine Solokarriere anzuleiern. Als Schlüssel zum Erfolg konnte sie den bekannten Disco-Produzenten Biddu, aus Indien stammend, für ihre Platten gewinnen. Schon ihre erste 45'er "You set my Heart on Fire" überzeugte in den Staaten als ein lupenreiner Discohit, während sie diesseits des Atlantiks eher unbeachtet blieb.

Discoklänge feinsten Handwerks

Doch der Nachfolger "I love to love" änderte im Frühjahr 1976 alles: Allein in ihrer Heimat knackte sie für ganze drei Wochen die Pole Position, drängte andere Interpreten an die Wand. Ganz Europa tanzte nach ihren Rhythmen. Derweil fing der Tanztitel auch in Amerika Feuer, besonders die Rückseite "Disco Fever". Weltweit ging das Lied gar 26 Millionen mal über die Ladentheke. Aber wie allen Blockbustern eigen ist, lassen sie wenig Platz für einen geeigneten Folgesong. Das Label brachte mit "Love me like a Lover" fast einen identischen Song auf den Markt. Ein bisserl zum Verdruss von so manchem Fan. Trotz allem lieferte auch dieser Song Discoklänge feinsten Handwerks. Es folgten noch Singles wie "Dance Little Lady Dance", "Dr. Love", "Rendezvous" und "Love Bug". Sicher, gute Chartpositionen sprangen vereinzelt noch raus, aber Tinas Stern drohte zu versinken.

Als die talentierte Sängerin im Juni 1977 einen gesunden Sohn zur Welt braxchte, stellte sie das Showbusiness erstmal in den Hintergrund. Als dann kurz später noch ihre Ehe in die Brüche ging, kehrte sie gegen 1980 ins Studio zurück. Jedoch floppte ihr so entstandenes Album "Just One Smile". Mitte der Achtziger hörte die Musikwelt nochmal von ihr, als ein Remix von "I love to love" in der Version eines gewissen "Sanny X" in Europa die Spitzenplätze der Hitparaden streifte. Alles in allem verlief eine mögliche zweite Karriere von Tina im Sande. Nur im August 2006 tauchte Tina Charles, in Begleitung jenes Sanny X in den Billboard-Charts auf. Und 2007 nahm die Sängerin mit dem Produzenten Ian Levine den Song "Hide and Seek"auf.

Tina - so geheimnisvoll wie Mona Lisa, discogs.com

Neues Album, neue Tournee

Was aber ist aus der sympathischen Künstlerin mit der extrem hohen Stimme geworden? Wer nämlich glaubte, sie sei für alle Zeiten weg vom Fenster, irrte gewaltig. Im November 2011 erschien mit "Your Love is my Light" tatsächlich wieder eine Single von Tina; hierbei gab sich die Firma PMG Music Productions die Ehre. Mehr noch, die kleine Künstlerin kündigte offenbar auch eine Welttournee an, zusammen mit ihren ehemaligen Kollegen von "5000 Volts". Privat lebt sie in dritter Ehe, im englischen Surrey. Was sie heute über ihr Leben denkt? "Ich hab mein ganzes Leben lang gesungen, was mir die Möglichkeit gab, so viele Länder zu besuchen. Aber trotz allem ist es immer 'I love to love', was die Öffentlichkeit hören möchte. Der Song klebt an mir wie ein Nachruf."

Joachim Eiding

Quellen: www.express.co.uk - www.spreeradio.de - www.austriancharts.at

 

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 106 - 06/17