••• music-4-ever - home ...   •••   übersicht - journal ... •••
Nils LifgrenFotos: nilslofgren.com

Nils Lofgren

Wer springt auf der Bühne gern mal einen Salto rückwärts oder greift in die Saiten seiner Gitarre, während er eine Runde Trampolin hopst? Nein, es geht weder um den zukünftigen russischen Staatspräsidenten Putin, noch um das hinterlistige Rumpelstilzchen. Vielmehr gehören diese Showacts zu den Gigs des Rockmusikers Nils Lofgren, aus dem Lande von Uncle Sam. Im Juni 1951 in Chicago geboren, erlernte dieser unterschätzte Interpret schon als Kind das Akkordeonspiel und schloss sich im zarten Alter von 17 Jahren bereits der Band "Crazy Horse" des kanadischen Querdenkers Neil Young an. So haute er bei dessen Album "After The Goldrush" kräftig in die Tasten, beherrschte schon mehrere Instrumente wie Gitarre und Klavier recht virtuos. Doch erst als er Jimi Hendrix live erlebte, prägte dies seinen speziellen Gitarrenstil mit dem Daumenplektron.

1968 wagte Nils den Schritt zum Berufsmusiker. Mit Recht, denn seine eigenwillige Spielweise von Saiteninstrumenten sprach sich schnell in der Szene rum. Zwei Jahre später hob er seine eigene Band "Grin" aus der Taufe - mit Bruder Tom. Im gleichen Jahr stieß Nils in einem kleinen Club erstmals auf den "Boss". Doch es sollten noch 14 Jahre ins Land gehen, bis beide schließlich Seite an Seite auf der Bühne standen. Vier Alben legte "Grin" vor; Lofgrens Ruhm als vielversprechender Newcomer festigte sich allmählich. Dann und wann griff auch Neil Young auf den Virtuosen zurück, engagierte ihn fürs Studio. 1973 zog es Nils gar mit Youngs Band auf große Tour; doch trotz allem feilte er an seiner eigenen Karriere.

Salto auf dem Trampolin

Und bald wandelte er auf Solopfaden. Von 1975 bis 1981 brachte Lofgren einige hochgelobte Langrillen wie "Nils Lofgren" (1975), "Cry Tough" (1976) und "Night After Night" (1977) auf den Markt. Und das harmonische "Shine Silently", sowie das hammerharte "No Mercy" (beide 1979) ergänzten als Singles Nils' Vinyl-Repertoire. Aufsehen erregte der kleingewachsene Star, als er mit dem Song "Keith Don't Go" auf die Drogenprobleme der Rolling Stones wies. Für Furore sorgte ebenfalls Lofgrens "sportliche Ader": So hupfte er, zum Verzücken seiner Fans, beim Gitarrenspiel auf ein niedriges Trampolin, ließ sich dabei aber kaum aus der Ruhe bringen. Keiner hatte das vor ihm gewagt. Als unvergessen gelten seine Auftritte im legendären "Rockpalast" des WDR, zwischen 1976 und '79. Auf diese Weise gelang ihm auch hierzulande der Durchbruch.

Doch wie ging es mit dem schmächtigen Ausnahmetalent weiter? Als der Gitarrist Steve Van Zandt bei Springsteens "E Street Band" schwächelte, schlug die Stunde für Nils Lofgren: Flugs unterschrieb er beim "Boss", und nach einer Generalprobe in kleinen Häusern ging es gleich samt Band auf große Tournee. Welche am 29. Juni 1984 in der restlos ausverkauften Civic Arena von St. Paul, Minnesota, begann. Lofgrens anfängliche Nervosität wich einer gewissen Routine, und sein begnadetes Gitarrenspiel riss das Publikum vollends mit. Die 15-monatige Konzertreihe, quer durch die Staaten, gipfelte zum Megaerfolg. Auch auf Europa warf dieses Großereignis seine Schatten: Dort brach eine regelrechte Springsteen-Manie aus, und der kleine Nils sprang auf der Bühne einen Salto nach dem anderen.

Nils Lifgren

Nils und der "Boss"

Fortan kümmerte sich der Gitarrist gleichzeitig um mehrere Projekte (auch Alben), stieg dann 1988 wieder in Springsteens Truppe ein - zur legendären Tour "Tunnel Of Love". Während die Musiker in den USA ihre Routine abspulten, wirkten die europäischen Abende ungleich lebendiger. Als Krönung traten Springsteen, Lofgren und Co. sogar im damaligen Ostberlin auf, auf der riesigen Festwiese im Bezirk Weißensee, wo sich immerhin 160000 Zuhörer um gute Plätze drängten. Trotz des immensen Erfolges löste der "Boss" 1989 seine Begleitcombo auf, um sie erst zehn Jahre darauf wieder zum Leben zu erwecken. Mit dabei wieder - leicht zu erraten - unser taffer Nils.

Nun lohnt aber ein Blick auf die Solo-Projekte des genialen Musikers: Mit "Breakaway Angel" präsentierte Lofgren 2001 ein neues Solo-Album, gefolgt von den Langrillen "Nils Lofgren Tuff Stuff - The Best Of The All-Madden-Team Band" und "Nils Lofgren Band Live". Und Nils blieb als mittlerweile sehr etablierter, anerkannter Rock-Musiker im Geschäft, brachte im Jahr 2006 das Werk "Sacred Weapon" heraus, unterstützt von Gästen wie David Crosby, Graham Nash und Willie Nelson. Im selben Jahr organiserte er ein Wohltätigkeitskonzert zu Ehren des gerade verstorbenen Gitarristen Arthur Lee in New York - hier mit den Rock-Granden Robert Plant, Ian Hunter (einst bei "Mott the Hoople") und Garland Jeffreys im Schlepptau.

Kein Superstar-Image

2008 zahlte er mit einer Hüftoperation seinen zahllosen akrobatischen Showeinlagen Tribut. Nach eigener Aussage überstand der umtriebige Musiker den medizinischen Eingriff ohne Probleme. Witzig: Der bekannte US-Romanautor Clive Cussler ("NUMA"), Lofgrens Nachbar im heimischen Arizona, schrieb mit dem Musiker gemeinsam am Song "What Ever Hapened To Muscatel?". Nach wie vor findet Nils Lofgren auf Konzerten sein Publikum: Aktuelle Tourdaten gibt's auf seiner Homepage. Und dass er noch gefragt ist, verdankt Nils, der sich stets aus dem "Superstar-Zirkus" raushielt, sicher seinem genialen Musikstil und der filigranen Studioarbeit. "Musik ist für mich beruhigend, und Auftreten eine Art Heilung", erklärt der bescheidene Star.

Joachim Eiding

Quellen: nilslofgren.com - musicline.de - laut.de - lastfm.de - germantramps.wordpress.com - allmusic.com - connect-ed.de - de-de.facebook.com - byte.fm/magazin/blog - rockzirkus.de - musiklexikon.jfaro.com - neil-young.info - starpulse.com - kovideo.net - Das neue Rock-Lexikon, Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos und Bernhard Halbscheffel, Rowohlt, 1999

 

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 59 - 8/2011