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Leo SayerPhoto: thomasbruckmann.de

Leo Sayer

Was immer den kleinen Engländer dazu bewog, Ende 1973 in ein Clownskostüm zu schlüpfen, seiner Karriere als Sänger und Songwriter tat dies keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Diese Maske à la Pierrot verpasste der musikalischen Laufbahn des begabten Gerard Hugh "Leo" Sayer erst den richtigen Schwung. Zumal dieses Zirkus-Outfit wunderbar zum Song "The Show Must Go On" passte. "Ich hatte keine Wahl; dieses Lied konnte nur ein Clown singen", bestätigte Leo Jahre später lachend. Und die clevere Aktion trug Früchte: Nachdem seine Debüt-Single "Why Is Everybody Going Home?" im Pop-Nirwana strandete, stieg "The Show Must Go On" wie ein Phönix aus der Asche im Dezember '73 auf Platz Zwei der BBC-Charts. Leider blieb dem wackeren Sänger jenseits des Atlantiks anfangs der Erfolg versagt; die US-Rockband Three Dog Night warf das Lied vom einsamen Clown dort selbst auf den Markt.

Ein Song für Roger

Als Leo am 21. Mai des Jahres 1948 im englischen Shoreham-by-Sea, Grafschaft Sussex, als Spross einer streng-katholischen Familie die Bühne dieser Welt betrat, ahnte wohl niemand, welchen Ruhm der Kleine ernten würde. Zwar sang er als braver Schuljunge einst im Kirchenchor, bemalte jedoch ebenso gern die Blätter seines Zeichenblocks. Später, als er der Klasse den Rücken kehrte, hörte er erstmals Rhythm'n'Blues-Musik und sang mit Soul-Bands. Im Jahr 1969 begann er, eigene Songs zu schreiben. Im Alter von 22 Jahren gewann er fast einen Nachwuchs-Wettbewerb für Pop-Musik. Schließlich traf Leo kurz darauf bei einer Musik-Show in Brighton den Drummer und Songwriter David Courtney, mit dem er die kommenden Jahre viele Hits wie "One Man Band" und "Giving It All Away" - für andere Interpreten, vorzugsweise Who-Frontmann Roger Daltrey - komponieren sollte.

Erst der Londoner Musik-Produzent Adam Faith erkannte den Reiz von Leos hoher Stimme, ließ ihn fortan ins Studio. Mit Erfolg, denn die Titel "The Show Must Go On" (1973), "One Man Band" und "Long Tall Glasses (I Can Dance)" (beide 1974), ursprünglich für andere gedacht, stürmten in Leos Versionen zielsicher die englischen Verkaufslisten. Dies galt auch für die ersten zwei Alben "Silverbird" (1973) und "Just A Boy" (1974), teils noch unter chaotischen Umständen aufgenommen. Doch irgendwie gleicht das Leben einer Buckelpiste, was auch an britischen Musikern nicht vorbeigeht: Zwar schaffte Sayers lustiger Song "Moonlighting" über das schottische Heiratsparadies Gretna Green auf der britischen Insel immerhin noch Platz 2, jedoch kam das dazugehörige Album "Another Year" nicht so schnell aus den Startlöchern. Als dann die folgende Kurzrille, das Beatles-Cover "Let It Be", komplett floppte, meinten viele, die Karriere von Leo sei bereits zu Ende.

Leo SayerFoto: concertforpauline.com

Leo ohne Maske

Doch weit gefehlt. Denn unterdessen suchte Adam Faith in den Staaten nach neuen Partnern, fand den US-Produzenten Richard Perry, zuvor mit Barbra Streisand, Harry Nilsson, Ringo Starr, Art Garfunkel und Diana Ross überaus erfolgreich. Unter seiner Ägide gelang Leo Sayer, längst wieder unmaskiert, mit der LP "Endless Flight" (1976) zu beiden Seiten des Großen Teiches ein sensationelles Comeback: Während das Album im Vereinigten Königreich auf Rang Vier schoss, hüpften die Singles - das flotte "You Make Me Feel Like Dancing" und die gefühlvolle Ballade "When I Need You" (von Kollege und Freund Albert Hammond beigesteuert) - je auf die Pole Position. Doch damit nicht genug; er folgte ein weiterer Karriere-Knick, der erst 1980 mit dem Top-Titel "More Than I Can Say" endete.

"Spätestens nach dem dritten Hit glaubst du natürlich, das müsse jetzt ewig so weitergehen, die Leute werden dich nie satt kriegen", erinnert sich Leo wehmütig. Traurig stellte er in den 80ern fest, dass er "von allen möglichen Leuten über den Tisch gezogen worden war". Obwohl er ein paar Millionen Platten verkauft hatte, verfügte er über keine nennenswerten finanziellen Mitteln. Schmerzlich spürte der sympathische Sänger, wie die fetten Jahre für ihn vorbei waren. Ihm blieben praktisch nur Konzert-Tourneen, vor allem im asiatischen Raum, während Europa und Übersee verständnislos mit den Schultern zuckten. Mit eigenem Studio nahm er schließlich um die Jahrtausendwende sein Schicksal selbst in die Hand, veröffentlichte mit "Voice In My Head" im Jahre 2005 ein künstlerisch anerkanntes und ausgereiftes Album. Gemäß dem Motto seines Kollegen Willie Nelson: "Jetzt erkenne ich den Scheiß, bevor ich ihn singe, und nicht erst, wenn's zu spät ist." Und auch an die Spitze der englischen Charts kehrte er 2006 wieder zurück: mit einem Remix seines Hits "Thunder In My Heart", abgemischt von einem gewissen Meck. Übrigens: Heute lebt Leo Sayer als australischer Staatsbürger in der Metropole Sydney.

Joachim Eiding

Quellen: leosayer.com - laut.de - classicbands.com - die-anderen.beepworld.de - telegraph.co.uk - bluedesert.dk - alexgitlin.com - sing365.com - songfacts.com

 

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