Der Begriff Kolonie, abgeleitet vom lateinischen "colonus" (= Feldbauer), beschreibt
die Ausbreitung eines Volkes in fremde Gebiete.
Die Motivation hierfür
ist vielfältig: Eroberungskriege, Plünderaktionen, aber auch Völkerwanderungen und
Erschließung von Wirtschaftsräumen - alles gehört irgendwie dazu und unterscheidet
sich nicht nur in der Absicht, sondern eben auch in der Durchführung.
Der häufigste Grund war früher die zu hohe Bevölkerungsdichte im Mutterland, bezogen auf die Ressourcen wie Ackerland und Wirtschafts-Möglichkeiten. So haben immer wieder Hungersnöte Auswanderungswellen (Mayflower) hervorgerufen. Aber auch der äußere Druck von expandierenden anderen Völkern trug dazu bei.
Kolonialismus im Altertum
Ein gutes Beispiel dafür waren die Phöniker (heutiges Syrien). Sie gelten als eines
der ersten größeren Völker, das vor zirka 3000 Jahren kolonisierte. Der Druck aus
dem Osten ließ sie aufs Meer ausweichen und so gründeten sie an den Küsten des
Mittelmeeres eine größere Zahl von Niederlassungen. Überwiegend dem Handel
verpflichtet entwickelten sich daraus zunächst blühende Städte. Die mächtigste
davon war Karthago in Nordafrika, die später das Mutterland als "Kolonialmacht"
ablöste und mit kluger Eroberungs- und Kolonial-Politik bald das ganze Mittelmeer
beherrschte.
Aber auch die Griechen entwickelten ein vorzügliches
kolonisatorisches Talent. Sie suchten und gründeten für ihre zunehmend
überschüssige Bevölkerung Siedlungs- und Handelszentren in Kleinasien, an den
Küsten des Schwarzen Meeres, in Unteritalien (Großgriechenland genannt), in
Südfrankreich (Gallien) und Spanien.
Daneben gab es ganze Völkerwanderungen und militärische Eroberungen. Wenn wir uns die
Geschichte unserer Völkergemeinschaft anschauen, so ist sie gespickt von solchen
Begebenheiten.
Großmächte kamen und vergingen. Völker wurden
vertrieben und vertrieben ihrerseits. Ein richtiges Durcheinander - wenn wir uns das über
einen größeren Zeitraum hinweg ansehen.
Kolonialismus ab dem Mittelalter
Der Kolonialismus, wie wir ihn in der neueren Zeit kennen, unterscheidet sich deutlich vom
früheren:
Früher konnte auf Grund der nur lokal bestehenden
Überbevölkerung, weltweit aber bestehenden Freiraumes, ungenutztes Land
"entdeckt" werden, entwickelte sich erst zunehmend die Verteilung der Erde auf die
Völker.
Der Kolonialismus, wie er ab dem Mittelalter einsetzte, war schon
auf Machtausübung und Unterwerfung "angewiesen", um Kolonien zu gründen. Auch
wenn es zunächst private Handelsgesellschaften waren, die ihre begehrlichen Fühler
ausstreckten, irgendwann wurde blutig erobert.
Mächtiger Motor dazu war
der lukrative Sklavenhandel. Wir Europäer nahmen dieses Geschäft den Arabern ab,
ließen uns von Schwarzen die Sklaven aus dem Hinterland fangen (es waren selber Sklaven, die
sich so die Freiheit "verdienen" konnten) und verschacherten sie hauptsächlich nach
Amerika (Nord und Süd), wo sie auf den neu gegründeten Plantagen für ihre Herren
"Mehrwert schöpften".
In Dakar (Nord-Senegal), auf der Insel
"Isle de Goré", hatte ich Gelegenheit, ein Sklavenhaus zu besichtigen. Hier
mussten diese armen entwurzelten Menschen warten, bis das Schiff kam und sie das Tor "der
Nimmer-Wiederkehr" passierten. Wenn man dann sieht, wie sie untergebracht und fein
säuberlich voneinander getrennt waren (Männer, Frauen, kleine Mädchen und Babys),
dann können einem schon die Tränen des Mitgefühls und der Wut kommen. Aber mit
entsprechender Überheblichkeit ausgestattet, wurden die Farbigen einfach als Tiere deklariert
und mit denen gehen wir auch heute noch nicht Lebewesen-würdig um.
Man
schätzt, dass zirka 50 Millionen gefangen wurden und nur die Hälfte am Bestimmungsort
ankamen; der Rest war den unmenschlichen Strapazen nicht gewachsen.
O.K., das "Erfolgsmodell Sklavenhandel" ließ sich auf Dauer nicht aufrecht
erhalten. Man machte es dann eben etwas geschickter: Die Kolonisierung konzentrierte sich auf die
Länder und Bevölkerung selbst (an Ort und Stelle ohne Menschen-Transporte).
Handelsvertretungen bestanden ja schon vor Ort. Neue wurden nicht selten so gegründet,
dass auf nicht genutztem Grund mit Billigung der Bevölkerung Häuser gebaut werden
durften. Diese Handelszentren gewannen schnell an Macht und wirtschaftlichem Gewinn. Daraus
entstehende Probleme wurden teils mit Verträgen, teils mit Gewalt "gelöst".
Irgendwann aber forderten diese privaten Handelsgesellschaften Unterstützung von der
heimatlichen Regierung. Fast immer sofort gewährt, wurde das fremde Land "unter Schutz
gestellt". Unnötig zu erwähnen, wer geschützt wurde. Ab da wurde das gesamte
Land kolonialisiert, was bedeutet, dass sogar investiert wurde, aber nur zum Zwecke der Ausbeutung.
Im Falle Togo, das 1884 als deutsches Protektorat ausgerufen wurde und als
"Vorzeige-Kolonie" galt, weil es als einzige nicht blutig erobert wurde, begann die
Amortisations-Phase ab etwa 1904. Klingt doch gut - oder? Da hatten wir Deutsche noch zirka zehn
Jahre der Ausbeutung, bevor es uns von Engländern und Franzosen im Ersten Weltkrieg
abgenommen wurde.
Jede Schutzmacht kann die Preise bestimmen, sowohl für
Import wie für den Export. Damit organisiert sie sich den eigenen Gewinn (Handels-Spanne).
Natürlich zu Lasten der Bevölkerung, an dessen Wohl sie ja nicht im Entferntesten
interessiert ist.
Island zum Beispiel, Kolonie der skandinavischen Länder
(Dänemark und Schweden in abwechselnder Reihenfolge), wurde so auf unterstem Niveau arm
gehalten. Als Naturkatastrophen Menschen und Tiere bis zu 50 Prozenz dezimierten, war Island knapp
davor komplett evakuiert zu werden, weil es so kaum überleben konnte, die Ausbeutung war zu
groß.
Du glaubst, das ist ein Einzelfall? Träum weiter!
Selbständigkeit und trotzdem Kolonialismus
Du glaubst, Kolonialismus gibt es nicht mehr, die betreffenden Staaten sind ab 1960 in die
Unabhängigkeit entlassen worden? Dann weißt Du nicht, dass jeder "in die Freiheit
entlassene Staat" einen Geheim-Vertrag akzeptieren musste, der ihn wirtschaftlich und
militärisch an das "Mutterland" knebelt. Alle Bodenschätze gehören
zuallererst dem ehemaligen Kolonialland.
Wer da versucht sich herauszuwinden,
wird militärisch und anderweitig fertig gemacht.
Darüber hinaus
dürfen nur solche Kräfte an die Macht kommen, die dieses Abkommen auch durchsetzen. Als
Garanten hierfür eignen sich Diktatoren, die sich aus eigener Kraft nicht halten können,
aber mit entsprechender Unterstützung (Waffen, militärische Präsenz, Know-how und
Waren) sich nachhaltig durchsetzen. Damit machen wir Europäer uns an dem Elend in Afrika
hochgradig schuldig. Die Bevölkerung leidet enorm unter solchen Umständen, und sehr
viele bezahlen diese Situation nicht nur mit wirtschaftlicher Not, sondern sogar mit ihrem Leben.
All dies ist hierzulande so gut wie unbekannt, obwohl dieses "Erfolgsrezept" der
Ausbeutung auf Kosten anderer in dieser Welt gang und gäbe ist. Unmoralisch - sagst Du? Bei
so viel Geld gibt es keine Moral! Und warum wissen wir das nicht? Ganz einfach, weil wir es nicht
erfahren sollen, und unsere ach so freie Presse doch nicht so frei ist. Jeder Publizist will leben
und stößt dabei sehr schnell auf die Grenzen der Pressefreiheit. Zensur und Geld oder
Pressefreiheit ohne Geld - wovon willst Du Deine Familie ernähren? Mit Pressefreiheit?
Träum weiter!
Also, der Kolonialismus ist tot, es lebe der Kolonialismus! Natürlich verfeinert.
Neueste Formen
Inzwischen gibt es sogar eine neue Variante, die noch gar nicht so alt ist und daher kaum in
unser Bewusstsein dringt.
Die Chinesen, die nunmehr fast alle elektrischen
Geräte herstellen (kostenlos vom Westen in die Geheimnisse der Produktion eingeweiht), haben
so viel Geld angehäuft, dass sie gar nicht mehr wissen, wie sie es nutzbringend ausgeben
können. Staaten wie die USA sind bei ihnen hoch verschuldet.
Also was
tun? Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen?
Ein genialer Plan
löst das Problem: Millionen chinesischer Bauern ohne Land hätten gerne welches. Noch
kann China die Ernährungssituation einigermaßen bewältigen, aber mit der
fortschreitenden Industrialisierung immer weniger.
Haben wir noch nebenbei
mitbekommen, dass bei Kriegen im zentralen Afrika die Chinesen mitmischen, der Rohstoffe wegen, so
ist es uns völlig unbekannt, dass sie zusätzlich zu den größten
Land-Aufkäufern geworden sind. Mit Argumenten wie "wir wollen für euch Afrikaner
die Nahrungsmittel verbilligen" machen sie Gutwetter, und man glaubt ihnen. Doch die ersten
Zweifel kommen auf, wenn der angebaute Reis nicht auf den afrikanischen Markt (billig) gelangt,
sondern als Reis-Schnaps (billiger zu transportieren, da konzentriert) das Land verlässt.
Da sind extreme Probleme vorprogrammiert, da das Land den Einheimischen für
die Nahrungsmittelproduktion verloren gegangen ist. Spätestens wenn sie großen Hunger
leiden und zusehen müssen, wie "ihr" Reis mit Schiffen abtransportiert wird, dann
greifen sie zur Selbsthilfe. Dann gibt es "Gegenhilfe" und letztendlich wieder
Bürgerkrieg. So kann man keinen Frieden gestalten. Zum Glück gibt es bereits einige
Länder, die es Ausländern untersagen, Grund und Boden zu erwerben. Doch dieser
Selbstschutz greift nicht flächendeckend. Wie es scheint, kommt die Welt nicht zur Ruhe, und
es sind die Begehrlichkeiten in der Ferne, die das bewirken.
Als der (alte) König von Marokko zu viele innenpolitische Probleme hatte - weil unter
anderem die Berberstämme im Norden nicht mehr damit besänftigt werden konnten, dass er
den Haschisch-Handel stillschweigend duldete, da überfiel er einfach den südlich
angrenzenden Sahara-Staat und vertrieb die Polisario in die algerische Wüste. So etwas
schweißt doch zusammen - oder?
Bei einem "äußeren
Feind" muss man doch zusammenhalten. Na ja, es hat funktioniert.
Im
Rif-Gebirge (Nord-Marokko) hatte ich dennoch Probleme, dem Druck der Haschisch-Verkäufer zu
entgehen. Hätte ich nachgegeben, hätte ich wenige Kilometer später mit einem
(informierten) Polizisten wegen meines neuen Besitzes verhandeln müssen, was dann richtig
teuer geworden wäre, oder mich ins Gefängnis gebracht hätte.
Ich glaube, der Kolonialismus gehört zu unserem menschlichen Erbe und wandelt nur sein
Gesicht, je nach Zeitgeist und "Erfordernissen". Als nächstes großes Ziel
stehen Mond, Mars und Weiteres auf unserem Speisezettel. Wehe wenn uns fremde Lebensformen
begegnen sollten, die uns nicht gewachsen sind.
Dann haben wir eben
"astrale Tiere" oder eine "minderwertige Lebensform" entdeckt, die wir
bedenkenlos ausbluten lassen können. Erfahrungen mit diesem Thema haben wir ja genug ...
Günter Weeren
PS: Weißt Du eigentlich, was mit "Kolonialwaren-Laden" gemeint ist?
Ursprünglich wurden da die billigen Importe aus den Kolonien angeboten wie
Kaffee, Kakao, Nüsse und Palmöle. Und weil das Sortiment immer umfangreicher geriet,
wurde es ein Synonym für den "Alles-Laden". Ab den 50er Jahren sprach man dann vom
"Tante-Emma-Laden" - also einem Geschäft, dass zu keiner Supermarktkette
gehörte.
music4ever.de - Extra - Nr. 42 - 3/10