Slade, Sweet, Smokie und Rubettes: Die Musik der 70er, Glam-Rock at it's best! Leben die eigentlich noch? Ja, durchaus. Und man kann sie recht günstig ansehen, wenn man sich mal etwas aufs Land bequemt ...
Im Gebäude des Bayrischen Rundfunks in München fiel mir ein Plakat auf, das verkündete, in Bad Wörishofen würde eine "Classic Rock Night" abgehalten - so ähnlich, wie früher schon in der Olympiahalle.
Dies war nun etwas verblüffend - Bad Wörishofen, da tritt normal nur Justus Frantz* auf. Aber ein Rockkonzert? Und dann noch mitten im Stadtpark, wie "Bayern 1" behauptete? Dafür waren die Bands dann doch noch nicht alt genug, da fallen doch den kneippkurenden Omas die Gebisse aus dem Mund!
Und dann auch noch "Classic Rock"?* Waren Sweet, Slade, Rubettes und Smokie nicht eher Glamrock? Die Musikrichtung, die allen Fans bereits tierisch peinlich war, bevor die 70er vorbei waren und von der in den 80ern nichts mehr zu bekommen war und die erst jetzt wieder salonfähig wurde, bis Gary Glitters Vorliebe für Kinder publik wurde und Glamrock damit wieder ins Zwielicht geriet?
Das allerdings ist inzwischen vergessen - Gary Glitter hatte schließlich musikalisch und vor allem textlich deutsche Produktionen wie Les Humphries, Boney M. oder gar Milli Vanilli nie deutlich überrundet. Der Rest der Glamrock-Bands machte dagegen durchaus ernstzunehmende Musik.
Hallensuche
Der Konzertpreis war für insgesamt vier Bands und stolze sechs Stunden (18 Uhr, noch in der Abendsonne, bis Mitternacht!) mit weniger als 40 Euro sehr zivil. Und das ist auch das Konzept der "Classic Rock Nights", wie der Oldie-Fan auf der Seite classic-rock.nights.com sieht: Nicht wie sonst üblich in die Großstädte, mit teuren und dennoch überfüllten Mega-Konzerthallen. Sondern raus aufs Land, in unbekannte Lokalitäten, sodass auch einmal die, die viel zu weit von den Großstädten wohnen, in Konzerte kommen.
In unserem Fall hieß dies, gerade einmal 10 Kilometer zum Konzert. Zu spät kamen wir dennoch. Einerseits, weil meine Begleitung nicht verstanden hatte, dass das Konzert um 18 Uhr losging und wir daher um 17.30 Uhr wegwollte. Andererseits aber auch, weil niemand den Veranstaltungsort kannte. Das war nämlich eine sonst wohl nur für landwirtschaftliche Vorführungen genutzte Halle, die zwar durchaus eine Tribüne hatte, doch keine konzertgewohnte Akustik.
Im Stadtpark stand diese Halle nicht, und auch nicht an der angegebenen Adresse "Walter-Schulz-Str. 1". Dort fand sich nur ein Campingplatz mit angeschlossener Kneipe. Deren Besitzer hatte aber schon unzählige Konzertbesucher zur richtigen Adresse weitergeschickt ("vorne links, dann geradeaus bis kurz vor der Autobahn, dann rechts und dann sehen Sie es schon ..."). Nur ein paar Kilometer weiter.
Dort sah man es dann auch tatsächlich schon ... die Halle und daneben Nachtclubs, die tapfer ihre Parkplätze gegen die anrückenden "Rocker" verteidigten. Doch es gab genug Parkplätze. Allerdings entgingen uns so einige der ersten Titel von Smokie, obwohl die Sicherheitskontrolle sehr flott war - wer kommt schon zum Randalieren zu einem solchen Konzert?
Smokie und Rubettes
"Living next Door to Alice" kannte dann die ganze Halle in der späteren Version mit dem Zwischenruf "Alice?? Who the Fuck is Alice???. Auch "Wild Wild Angels", "Mexican Girl", "If you think you know how to love me" oder "Lay back in the Arms of someone" führten dazu, dass die Anwesenden ebenjenes taten. Der Auftritt war perfekt.
Die Rubettes galten als der schwächste Akt - schließlich hatten sie ja gar nicht so viele Hits, bekannt sind "Juke Box Jive" oder "Sugar Baby Love". Und die kamen auch nicht so perfekt rüber - die Akustik der Halle forderte hier ihren Preis. Umso verblüffender, dass die Band etliche Rock-Klassiker zusätzlich spielte, von Jimi Hendrix bis Chuck Berry. Und dies noch besser als ihre eigenen Stücke.
Es gibt von den Rubettes* zwei Geschmacksrichtungen "Rubettes featuring Alan Williams" und "Rubettes featuring Bill Hurd". Die erste Formation gilt als das Original und tritt im Rahmen der Classic Rock Nights auf, in der zweiten ist nur Bill Hurd von den Original-Rubettes, der Rest der Musiker kam später hinzu und tritt auch in unterschiedlicher Kombination auf.
Sweet: Es darf nur noch eine geben
Ein ähnliches Problem gab es bei den Sweet: Auch da gab es viele Jahre zwei Sorten: "Andy Scott's Sweet" und "Brian Conolly's Sweet". Auch hier waren beide Namensgeber Gründungsmitglieder und beide Bands gut. Ich habe beide im Laufe der Jahre gesehen, unter anderem in der "Kulturfabrik", damals noch in einem Vorort von München.
Heute gibt es das Problem nicht mehr: Brian Conolly lebt nicht mehr, und damit gibt es nur noch eine Sorte Süßigkeiten, nämlich die von Andy Scott. Doch es hatte über die Jahre massive Markenrechtsstreitigkeiten über die Verwendung des Namens "Sweet" gegeben, und wer heute alte Sweet-Aufnahmen verkauft, kann sich Ärger einhandeln (siehe: rechtsanwalt-poser.de): Andy Scott möchte nicht, dass die Brian-Conolly-Aufnahmen weiter kursieren, obwohl jener eher in der Band war als Scott, der sich aber das Markenrecht auf "The Sweet" sicherte. Und mit Markenrecht kann man nun mal alles erreichen - ob das Konfiszieren von E-Mails und Passwörtern seines Gegners oder hier eben selbst posthum dessen CDs, wie unter anderem das Medium "pressetext.at/news" warnt.
Offiziell werden laut Andy Scott zwar nur Verkäufer verklagt, die die "falschen" CDs gewerblich oder im Internet anbieten. Letzteres ist jedoch bereits beim Verkauf über Ebay oder Amazon gegeben. Andy Scott meint dabei zwar, es wären nur Aufnahmen kritisch, bei denen der Name "Sweet" ohne den Zusatz "Brian Conolly" genutzt werde, doch scheint dies bei einigen der vom Anwalt abgebildeten CDs (diese sind nur ein Teil der 77 verbotenen CDs) durchaus der Fall zu sein. Der Andy Scott vertretende Rechtsanwalt war gegenüber Music4ever zu keiner Stellungnahme bereit; aus der Erfahrung mit derartigen Fällen (siehe: heise.de/tp/) ist jedoch klar, dass es keine Rolle spielt, wie und wo man eine der heute illegalen Aufnahmen einst erworben hat: Auch einst völlig legaler Einkauf im Plattenladen schützt nicht vor Ärger beim Verkauf!
Dies ist natürlich ärgerlich, da so viele alte Aufnahmen der Sweet* nicht mehr erhältlich sind. Dafür gibt es ein neues Live-Album "Live in America", das sich online aus USA bestellen lässt. Man sollte es allerdings besser auch nicht in Deutschland wieder verkaufen - es ist zwar von den "richtigen" Sweet, doch ist auch der Verkauf importierter CDs sehr problematisch.
Beim Besuchen eines Sweet-Konzerts sind dagegen keine Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Prozesse zu erwarten, solange man selbst kein "Bootleg" anfertigt. Was sich durchaus lohnen würde: Andy Scotts markenrechtlich geschützte Sweet spielten alle Hits ohne Pause in bester, mitreißender Qualität.
Slade mit unerwünschter Beigabe
Slade räumten schließlich endgültig ab: "Mama, we're all crazy now". Lediglich ein schon vorher durch nervigste Ansagen unangenehm aufgefallenes lokales Disco-Sternchen verdarb etwas den Abschluss, weil sie ihre eigenen Platten unbedingt noch an die sechs Stunden Konzert anhängen wollte, obwohl die im Musikstil eher Richtung "Anton aus Tirol" gingen und mit Glamrock überhaupt nichts zu tun hatten. Das war aber ein spezielles Bad-Wörishofen-Problem und hat nichts mit den "Classic Rock Nights" an sich zu tun.
Diese finden weiterhin statt - meist mit den auch in Bad Wörishofen aufgetretenen vier Bands, mitunter auch einmal nur mit drei oder zwei hiervon, und dann auch wieder mit weiteren Acts wie "Manfred Mann's Earth Band", "Sailor", "Rattles" oder "Middle of the Road". Allerdings auch - Vorsicht! - mit Boney M.
Wolf-Dieter Roth
Links:
1. Justus Franz - de.wikipedia.org/wiki/Justus_Frantz
2. Classic Rock Nights - classic-rock-nights.com
3. Rubettes - de.wikipedia.org/wiki/The_Rubettes - www.booking4u.net/html/rubettes.html -
www.michow-concerts.com/Kuenstler/K%FCnstlerkategorien/Oldies/Rubettes-5/therubettes.htm
4. Sweet und Abmahnungen - thesweetband.com - thesweetbandstore.com -
www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17997/1.html - www.rechtsanwalt-poser.de/index.php?pageid=44 - pressetext.at/news/090905005/abmahnung-rocker-schickt-cd-truemmer-an-anwalt
music4ever.de - Anekdote - Nr. 37 - 10/09