Kaum zu glauben, bot das typisch schwarze Platten-Label Motown Records auch weißen Musikern Verträge an: Auf diese Weise gelangten Talente wie Phil Cordell alias "Dan The Banjo Man" und der kanadische Sänger und Songwriter Richard Dean Taylor zu ihren ersten Veröffentlichungen und Chart-Treffern. Besonders der Kanadier, weithin als "R. Dean Taylor" bekannt, leistete wertvolle Beiträge für die Songs der Supremes und Four Tops in der US-Motor-Stadt. Anno 1939 in Toronto geboren, gilt er bis heute als einer der meist unterschätzten Platten-Produzenten und Komponisten.
Ein Weißer beim schwarzen Label
Seine Karriere startete Taylor in seiner Heimatstadt, spielte in mehreren Bands. Für das Audiomaster Record Label brachte er erste Singles auf den Markt. Es folgten regionale Erfolge wie beispielsweise "At The High School Dance" und "I'll Remember". R. Dean spürte jedoch, in Toronto würde er wohl stecken bleiben, nicht weiterkommen. Mit Freude nahm er daher 1964 das Angebot von Motown Records an, dort als Produzent und Komponist zu arbeiten. Damit konnte er für sich in Anspruch nehmen, als einer der ersten Weißen für Berry Gordys schwarze Firma in Detroit unter Vertrag zu stehen.
Und mit großen Erfolg: R. Dean Taylor schrieb an Titeln der Supremes wie "Love Child" und "I'm Livin' In Shame" mit. Hier zeigte sich deutlich seine Handschrift, die Augen vor sozialen Problemen nicht zu verschließen. Aber auch an Klassikern wie "Standing In The Shadow Of Love" von den Four Tops und "Love Is Here And Now You're Gone" von Diana Ross & The Supremes wirkte der engagierte Songwriter mit. Jedoch mit einem Manko: Sein Name tauchte nicht auf den Platten auf. Dort brillierten einzig und allein Holland/Dozier/Holland. Sie speisten R. Dean mit Cash ab. Als Ausgleich für die für ihn verloren gegangenen Tantiemen durfte Taylor ab 1965 eigene Songs auf Vinyl herausbringen.
Miniatur-Hörspiel mit Regen
Leider floppten die zwei Single-Platten "Let's Go Somewhere" von 1965 und "There's A Ghost In My House", das im Jahr 1966 erschien. Und dies trotz maßgeblicher Hilfe durch das berühmte Produzententeam Holland und Dozier. Allerdings Glück in Unglück für den Kanadier: "Let's Go Somewhere" erregte trotzdem so viel Achtung, dass der Brite David Garrick ("Dear Mrs. Applebee") dieses Lied als B-Seite für "Lady Jane" auserkor. Der Erfolg kam für Taylor erst 1968 mit der Eigenkomposition "Gotta See Jane" - eine Art Miniatur-Hörspiel mit eingebautem Regen. "Ich bekam die Idee für dieses Lied, als ich in einer Regennacht von Detroit nach Toronto fuhr", erinnert sich R. Dean Taylor auf seiner Homepage.
Größeren Ruhm erlangte der Sänger mit seinem Song "Indiana Wants Me" von 1970, der eher einem kurzen Road-Movie ähnelte. Und Taylor gelang es, mächtig in die Presse zu kommen. Denn der Inhalt von "Indiana" spaltete die US-amerikanische Öffentlichkeit: Als Stein des Anstoßes galt besonders das Sirenengeheul am Anfang der Platte. Im US-Staat Kalifornien mussten die Macher des Titels diese Sirene entfernen und eine zweite Version ohne Geheul herausbringen. "Das ist der Grund, warum es Versionen ohne die Geräuscheffekte gibt", erklärt Taylor.
Comeback mit Northern Soul
Aber in der Folgezeit konnte R. Dean Taylor nie wieder an die Erfolge dieser zwei Titel anknüpfen. Lieder wie "Ain't It A Sad Thing" und "Candy Apple Red" streiften nur die unteren Ränge der internationalen Charts. Damit schien seine Plattenkarriere beendet. Doch es sollte, wie so oft im Leben, anders kommen: Seit den frühen 70er Jahren hatte sich in den nordenglischen Musik-Clubs wie dem berühmten "Wigan Casino" in der gleichnamigen Kleinstadt unter dem Begriff "Northern Soul" eine eigenwillige Musik-Szene etabliert:
Auf Basis unzähliger Soul-Songs der 60ern übernahmen weiße Musiker diese Stil-Elemente für eigenes Song-Material. Als Beispiel dafür dienen die Titel "Skiing In The Snow" von einer Gruppe namens "Wigan's Ovation" und das merkwürdige Instrumental "Footsee" von "Wigan's Chosen Few", beides von 1975. Und genau diese Szene entdeckte einige Songs von Taylor neu. Auf diese Weise kletterte "There's A Ghost In My House" im Jahr 1974 gar auf die dritte Position der damaligen BBC-Charts. In diesem Sog spülte es auch Taylors im Jahr 1967 aufgenommenen Stampfer "Window Shopping" in höhere Hitregionen. Selbst "Gotta See Jane" fand wiederveröffentlicht beim Pop-Publikum noch Beachtung.
Aber wie ging es für R. Dean Taylor künstlerisch weiter? 1976 machte das Motown-Label "Rare Earth", bei dem Taylor bis zuletzt unter Vertrag stand, zu. Fortan spielten vorwiegend kanadische Radiosender seine Songs. Als ein Comeback-Versuch Anfang der 80er Jahre mit dem Lied "Let's Talk It Over" grandios scheiterte, zog er sich aus dem aktiven Musik-Business zurück, verlegte sich aufs Produzieren. Gern tritt er trotzdem innerhalb der "Northern Soul"- Szene in englischen Clubs auf. Auch wenn nur wenige seinen Namen bis heute kennen - als der "kanadische Albert Hammond" gilt er als Urgestein der nordamerikanischen Pop-Szene.
Joachim Eiding
Quellen: wikipedia.org - rdeantaylor.com - answers.com - 8ung.at
music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 24 - 9/08