Ja, es war eine schöne Zeit in den 70ern, mit Glimmer, Punk und Disco. Ob nun "Rock Your Baby", "Queen Of Clubs", "Saturday Night Fever" oder "Kung Fu Fighting" - was als Anfang der Disco-Musik betrachtet werden kann, darüber streiten sich die Popfans seit Jahren. Fest steht, dass die tanzbare Musik aus den Musik-Clubs der nordamerikanischen Ostküste etwa seit Mitte der 70er Jahre ihren Siegeszug startete. Allen voran die New Yorker Disco-Queen Gloria Gaynor ("Never Can Say Goodbye"), George McCrae aus Florida mit dem so genannten "Miami Sound" und der gewiefte Musik-Produzent Van McCoy ("The Hustle"), der leider schon früh im Alter von nur 39 Jahren das Zeitliche segnete.
Unvergessen aber die Tanzmusik, die mit der asiatischen Welle zu uns nach Deutschland herüberschwappte: "Kung Fu Fighting" hieß der große Hit des damals noch völlig unbekannten Kaliforniers Carl Douglas, der 1942 in Jamaika das Licht der Welt erblickte. Dieser Titel erreichte weltweit sehr hohe Chart-Positionen, blieb allein hierzulande 19 Wochen in den Top Ten. Im Vereinigten Königreich brachte es das Liedchen mit den vielen "Huhs" und "Hahs" auf immerhin sieben und in den USA auf acht Wochen unter den besten Zehn. Skurril: Carl schaffte als erster Jamaikaner in den US-Billboard-Charts die Pole Position.
Der alte Hase und die Explosions
Carl Douglas war Mitte der 70er Jahre kein Teenager mehr, galt bereits als alter Hase im Popgeschäft. Anfang der 60er Jahre absolvierte er in England ein Studium als Toningenieur. 1964 gründete er seine erste eigene Band "The Big Stampede", die gar einige Singles wie beispielsweise "Sell My Soul To The Devil" und "Crazy Feeling" aufnahm. Anschließend zog es ihn in den sonnigen Süden, nach Spanien. Dort formierte er mit ein paar Kollegen die Gruppe "The Explosions". Wieder zurück in England, wurde er Mitglied einer Musiktruppe namens "Gonzales". Schließlich findet Carl beim Label "Pye Records" Unterschlupf, wo wenig später seine Karriere beginnen sollte.
Eines schönen Tages fragte ihn sein Produzent, der in London lebende Inder Biddu Appaiah (bekannt als "Biddu"), ob Douglas für ihn den Song "I Want To Give You My Everything" aufnehmen wolle, den ein gewisser Larry Weiss ("Rhinestone Cowboy") geschrieben habe. Spontan willigte Carl ein und es ging ins Studio. Kleine Rückblende: Zwei Jahre zuvor hatte Biddu, der später auch Tina Charles ("I Love To Love") produzierte, für die Filmmusik zum Streifen "Embassy" mit Richard Roundtree ("Shaft") einen Sänger gesucht und in Carl den geeigneten Kandidaten gesehen. Schließlich klingelte nach langer Pause bei Carl das Telefon und plötzlich war er im Rennen.
B zu A
Der Weiss-Song "I Want To Give You My Everything" sollte als so genannte A-Seite die Single-Platte krönen. Aber da jede Scheibe nun mal über zwei Seiten verfügt, schielten die Produzenten für die Rückseite nach einem passenden Song. Nervös fragte Biddu seinen Schützling aus Jamaika, ob dieser denn einen eigenen Song beisteuern könne. "Er schüttelte sich vier oder fünf selbstgeschriebene Songs aus dem Ärmel ... einer hatte den Text zu Kung Fu Fighting", erinnert sich Biddu. Also schrieb der indische Produzent noch die Melodie und fertig schien das Konzept. Innerhalb von lediglich zehn Minuten war der asiatische Kampfsong mit den "Huhs" und "Hahs" im Kasten. Niemand nahm das Lied sonderlich ernst. Warum auch, als B-Seite spielten die DJs diesen Titel ohnehin so gut wie nie.
Doch es sollte, wie so oft im Leben, alles ganz anders kommen. Denn Robin Blanchflower, einer der Bosse von Pye Records, hörte sich zunächst den Weiss-Song an, verlangte aber auch nach der Rückseite. Als er den Song von Carl hörte, sprang er begeistert auf, rief: "Dies sollte die A-Seite sein!" Also drehte die Plattenfirma die Single beherzt um und der legendäre Asien-Song kam nach vorn. Übrigens alles gegen den ausdrücklichen Wunsch des Produzenten Biddu. Interessant: Der Titel von Larry Weiss verschwand ganz von der 45er; stattdessen erschien als Rückseite dann "Gamblin' Man" - ein Song, den der Inder höchstpersönlich beisteuerte.
Welch eine prophetische Entscheidung von Mr. Blanchflower, denn nur auf diese Weise wurde Carl Douglas einem weltweitem Publikum bekannt. Eiskalt nutzte der Song die über Europa und die Welt hereinbrechende Asienwelle, die im Film dank Bruce Lee bereits zu uns herüberkam. Allerdings verkaufte sich "Kung Fu Fighting" anfangs etwas schleppend: "Die ersten fünf Wochen wurden wir nicht einmal im Radio gespielt", erzählt Biddu. "Es verkaufte sich nicht eine einzige Kopie. Und dann plötzlich hob der Titel in den Tanzclubs ab und wurde die Nummer Eins. ... Wir verkauften neun Millionen Exemplare." In Großbritannien verdrängte das Lied die Osmonds, das Mormonen-Kollektiv aus Utah, mit "Love Me For A Reason" von Platz Eins und in den USA Elvis-Fan Billy Swan mit "I Can Help".
Kung Fu Fighting in Grün
Aufgrund des massiven Erfolges erschien dann das Album "Kung Fu Fighter" und die nächste Single-Platte "Dance The Kung Fu". Hier schien das Label ganz auf Nummer Sicher zu gehen, denn dieser Titel klang wie der Vorgänger, nur in Grün. Allerdings floppte der Nachfolger in den Billboard-Charts, während er bei der BBC immerhin noch unter die besten 30 Titel sprang. Insgesamt keine glückliche Aktion, verlor Carl Douglas ein wenig seinen Nimbus. Bis heute unverständlich, warum Biddu als nächste Kurzrille dann den Instrumental-Titel "Blue Eyed Soul" auswählte. Zugegeben, ein tanzbares, gutes Stück. Aber wenn Carl Douglas auf der Platte steht, wollen ihn die Fans natürlich auch hören. Hier sackte der gute Carl komplett ab, verschwand schon bedrohlich aus dem Musik-Business.
Dann kamen noch einige Singles wie "Love, Peace And Happiness", "Shanghai'd" und "Girl, You're So Fine", die nicht mehr die Hitparaden erreichten. Erst mit "Run Back" gelang dem sympathischen Star ein bescheidenes Comeback, erreichte immerhin noch die britische Top 30. Jedoch verstaubten seine Alben wie "Love, Peace And Happiness" von 1979 und "Keep Pleasing Me" von 1983 leider in den Regalen. Was aber seine Leistung nicht schmälerte.
Denn sein "Kung Fu Fighting" brach sämtliche Rekorde: Selbst Jahrzehnte später erschienen regelmäßig neue Versionen des Crash-Titels: So konnte die englische Tanzcombo "Bus Stop" im Jahr 1998 noch mit einer achten Position bei der BBC einen veritablen Hit vorweisen. Auch in der Filmwelt konnte sich Carls Song verewigen: Zum Beispiel als Background-Song für "Wendy Wu" von den Disney Productions oder als Disco-Untermalung im brasilianischen Film "City of God". Heute lebt Carl Douglas in Hamburg, betreibt eine eigene Firma für Werbe- und Filmmusik. Und als sehr beliebter Gast in diversen Oldie-Shows tritt er regelmäßig im Fernsehen auf. Respekt, denn viele so genannte One-Hit-Wonder-Sänger kennt heutzutage niemand mehr.
Joachim Eiding
Quellen: wikipedia.de - songfacts.com - superseventies.com - laut.de - wikipedia.org - allmusic.com - carl-douglas.com
music4ever.de - Anekdote - Nr. 22 - 7/08