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Fritz Rau

An der Wand der Drei-Zimmer-Wohnung in Bad Homburg leuchten Goldene Schallplatten, Souvenirs und auch Familienfotos. Die Haushälterin bietet den Interview-Gästen des nunmehr 78-jährigen Mannes frisch gekochten Kaffee und appetitliche Kekse an. Fritz Rau, der einst den Blues nach Europa geholt hat, greift selbst nicht zu. Mit einer einladenden Geste überlässt er den Journalisten die begehrten Leckereien. Der Grund: Um sein Herz ranken sich seit Jahren zahlreiche Bypässe, als eine Art Überbleibsel vergangener Konzerttage. 50 Jahre Rock'n'Roll bleiben eben in den Knochen hängen.

Vom Kofferträger zum Konzert-Guru

Begonnen hat Fritz Rau seine unvergleichliche Karriere als Konzertveranstalter am 2. Dezember 1955 in Heidelberg, als er an jenem Abend sein erstes großes Konzert organisierte: Der deutsche Jazzmusiker Albert Mangelsdorff trat in der örtlichen Stadthalle auf. Mit zirka 1400 Besuchern lag das Publikumsinteresse für diese Stilrichtung weit über dem sonst üblichen Maß. Somit hatte sich der junge Rau bewährt und bald darauf nahm ihn der damals bekannte Jazz-Promoter und Konzert-Agent Horst Lippmann unter seine Fittiche, engagierte ihn als Kofferträger für eine Jazz-Tournee-Reihe des US-amerikanischen Impresario Norman Grantz.

Fritz RauFoto: Bettina Bauer - concert-gallery.de

Nach seinem Jurastudium verdiente Rau seine Brötchen einerseits als Gerichtsreferendar, veranstaltete aber andererseits weiterhin Konzerte. Im Jahr 1963 offerierte ihm Lippmann eine dauerhafte Partnerschaft: Auf diese Weise entstand die Konzertagentur "Lippmann + Rau". Erst 1989 fusionierte das Unternehmen mit der Agentur "Mama Concerts" des Marcel Avram zu "Mama Concerts und Rau". Neun Jahre später kam es nach einem Spin-off zur Gründung der "Fritz Rau GmbH". Rau, erst auf Jazz fixiert, wechselte im Zuge der 68er-Zeit immer öfter ins Lager der Pop- und Rock-Musik.

Zwei Dosen Bier von der Hölle entfernt

Und die Liste aller von ihm betreuten Künstler liest sich wie ein Who's who der deutschen und internationalen Musik: mit dabei weltbekannte Top-Stars wie Joan Baez, Rolling Stones, Scorpions, Tina Turner, Michael Jackson, Charles Aznavour, Bob Dylan, Marlene Dietrich, Ella Fitzgerald, The Doors, Miles Davis, Frank Zappa, Rory Gallagher, The Who, David Bowie, Queen, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Madonna, Prince, Eric Clapton, Rod Stewart, Harry Belafonte und ABBA. Aber auch deutsche Interpreten wie beispielsweise Udo Lindenberg, Udo Jürgens, Gitte, Nana Mouskouri und sogar Ton Steine Scherben vertrauten auf und hinter der Bühne seiner Regie.

Dabei kam er den Stars oft sehr nahe, weiß Erstaunliches zu berichten: "Der Clapton konnte doch acht Jahre lang nicht auftreten. Erst nahm er Drogen, und dann hat er versucht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, und wurde Alkoholiker". Und weiter: "Und dann Joe Cocker - der war zwei Dosen Bier von der Hölle entfernt. Ich musste bei Konzerten neben ihm stehen, damit er nicht umfällt."

Ayatollah Choleri

Aber auch der Konzert-Guru selbst war nicht ohne Macken: Aufgrund seiner oft aufbrausenden, lauten Art verpassten Freunde und Bekannte ihm vor Jahren den Spitznamen "Ayatollah Choleri". "Fritz ist absolut raumfüllend. Er hat eine spontane, herzliche Seite. Ich habe ihn auch lautstark erlebt. Wenn er sich durchsetzen wollte, dann hat man ihn total wahrgenommen. Nicht nur argumentativ. Auch physisch. Wenn Fritz gegen eine Wand lief, dann wackelte die", bestätigte einst Peter Maffay. So hat Rau gar einmal in den frühen 60er Jahren die damals fast gänzlich unbekannten Rolling Stones während eines Blues-Konzertes von Muddy Waters aus dem Backstage-Bereich geworfen.

Fritz RauFoto: wikipedia.de

Jahre später hat sich Mick Jagger noch an diesen Vorfall erinnert. "Fritz, ich habe dich zweimal als Arschloch erlebt. Einmal, als du uns aus dem Backstage-Bereich geworfen hast. Und das zweite Mal, als du Muddy Waters mit einem Mini-Verstärker auf die Bühne geschickt hast. So kann man doch nicht Muddy Waters präsentieren", hatte sich der Stones-Boss 1970 bei Rau beschwert. Worauf dieser zurückschoss, der Verstärker musste so klein sein, da er ihn selbst habe schleppen müssen.

Bier, Schnitzel und Gugelhupf

Aber ansonsten sparen Raus Weggefährten nicht mit Lob und großer Achtung: "Er schläft nie. Er überlebt bei Bier, Schnitzeln und Gugelhupf", erinnerte sich Joan Baez an den bärtigen Tausendsassa. "Er war wie ein Vater für mich", weiß Udo Lindenberg zu berichten und selbst Bademantel-Fetischist Udo Jürgens verneigt sich vor Fritz Rau: "Die legendärste Figur des deutschen Show-Business." Im Jahr 2005 erschien seine Biographie "50 Jahre Backstage-Erinnerungen eines Konzertveranstalters", in der er oft auf humorvolle Weise aus seinem erfahrungsreichen Leben berichtet - ein Leben ohne eigentliches Privatleben. Längst hat er sich aus der alltäglichen Arbeit zurück gezogen, lebt und arbeitet in seiner Drei-Zimmer-Wohnung in Bad Homburg vor der Höhe. Mittlerweile tritt Rau auch bei Musikhochschulen und Universitäten als Gastdozent auf. Und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main lehrt er ab 2007 als Honorarprofessor.

Joachim Eiding

Quellen: wikipedia.de - welt.de - vdkd.de

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 20 - 5/08