Die 70er Jahre galten vor allem als die Ära der Liedermacher. So tummelten sich im Fahrwasser von Reinhard Mey beispielsweise politische Kritiker wie Lothar von Versen und Lerryn, nachdenkliche Geister wie Lothar Föllmer und Christian Czerny und schließlich Spaßmacher à la Mike Krüger und Fredl Fesl. Und ein bisschen aus der Menge heraus traten jene Individualisten wie Ulrik Remy - oder "Ulrik", wie er sich anfangs einfach nannte. So wurde er im Jahr 1974 mit dem eigenen Chanson "Die Kneipe" regional bekannt. Auch das Album "Jeder kommt irgendwoher" machte im Sendegebiet des WDR kräftig Furore. Sein Markenzeichen: Mit steter Überzeichnung nahm er die Widersprüche des Systems auf die Schippe, nie mit erhobenem Zeigefinger.
Der Mann, der "die Kneipe" besang
Remy, 1949 in Gelsenkirchen-Buer gebürtig, kann durchaus mit einer imposanten Biografie aufwarten: Schon in jungen Jahren genoss er in München eine Ausbildung zum Pianisten, Komponisten und Dirigenten. Nach dem Abitur heuerte er 1969 zunächst auf verschiedenen Frachtschiffen nach Asien an, lernte in dieser Zeit die Welt hautnah kennen. Ein Jahr später begann er in Köln, Jura zu studieren. Schließlich entdeckte Remy seine Talente, Lieder in deutscher Sprache zu komponieren. Bis er 1974 erste Erfolge verzeichnen konnte. Songs wie "Die Kneipe", "Ulriks Tierleben", "In der Zeit zwischen 6 und 8" und "Der Traum" erlaubten dem Musikfan, aus sich selbst herauszutreten und die Welt von einer äußeren Warte zu betrachten. Auf diese Weise sollte es durchaus möglich sein, zu neuen Erkenntnissen zu kommen.
Schließlich änderte Ulrik um das Jahr 1978 mit dem Album "Nur ein Lied" seinen Stil, baute neue Instrumente wie Trompeten in die Chansons ein. Der Grund: Die spärliche Gitarrenmusik war ihm nicht mehr genug; seine Lieder sollten anspruchsvoller klingen. Was ihm mit "Rosen für Mama" auch gelang - die Geschichte eines kleinen Jungen, der betrügt, um in der seelenlosen Großstadt zu überleben. Remys Musikkarriere endete vorerst 1980 nach sieben Langspielplatten sogar mit etlichen Festival-Preisen und der FIDOF-Goldmedaille. (Die "Federation Internationale des Organisations des Festivals" (FIDOF) organisiert weltweit Bühnenkonzerte.) 1981 zog sich Ulrik Remy von der Bühne zurück.
Die Reise nach Italien
1982 verschlug es ihn ins sonnige Italien, wo er als Radiomoderator bei einer Lokalstation in der Kleinstadt Portoferraio arbeitete, auf der Insel Elba. Ein weiterer beachtlicher Wegpfeiler: Eine Professur für Linguistik an der Universität von Siena, Toskana. Zur gleichen Zeit gründete der umtriebige Musiker im spanischen Alicante den Sender "RadioMar". Um 1990 herum kehrte Remy dann nach Deutschland zurück, wo er sein Leben als Schriftsteller sowie als Sprachlehrer für Spanisch und Italienisch fristete. Obendrein gründete er noch seine eigene Werbeagentur RemyMedia.
Damit noch nicht genug - Ulrik erfuhr noch eine weitere Wendung: Laut seiner Homepage wanderte er 1994 in die USA aus, brachte es sogar bis zum Vizepräsidenten des US-amerikanischen Gasunternehmens GTN Corporation. Kurz später avancierte er gar zum Präsidenten und Leiter des Software-Herstellers MacroTel Corporation - Spezialist für Abrechnungs- und Sicherheitssysteme. Schließlich zog er sich 2005 ins Privatleben zurück, widmete sich fortan seinen zwei Leidenschaften - dem Schreiben und dem Komponieren.
Wiebke Watteweich, die kleine Cumulus-Wolke
Ulrik Remy brillierte nicht nur als Sänger von selbstverfassten Chansons, sondern glänzte ebenfalls durch einfallsreiche klassische Orchesterstücke wie beispielsweise die Werke "Everglades Symphony" von 2006 und "Sinfonia Atlantica" aus dem selben Jahr. Und als Autor von Kinderbüchern ersann er die kleine Wolke "Wiebke Watteweich" und erzählt deren Abenteuer als "Geschichten von einer kleinen Cumulus-Wolke". Auch im ernsteren Fach fühlt sich Remy zuhause, veröffentlichte mehrere Gedichtbände wie "Die Dschunke" und "Renaissance Man".
Fazit: Das Leben dieses Mannes aus Gelsenkirchen gleicht dem Panzer eines schillernden Käfers - sofern der Vergleich erlaubt ist. Im Laufe der Jahre hat er unglaublich viele Facetten ausgelebt, wie wohl kaum jemand sonst. Die entscheidende Frage: Kommt Ulrik Remy je zur Ruhe? Sicher hat er noch viele Ziele.
Joachim Eiding
Quelle: ulrikremy.com - wikipedia.de
music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 6 - 8/07-I