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Das Deutsche Cover - Segen und Fluch zugleich

Single "Die schwarze Lady" von Lord Ulli (1975), Foto: discogs.com

Wie es um das deutsche Liedgut steht, schwankt sicherlich von Dekade zu Dekade. Während im Moment Schlager und Chansons in heimischer Sprache eher ein leichtes Spiel haben, sich in den Charts zu platzieren, sah es beispielsweise in den hochgelobten Siebzigern völlig anders aus: In jenem Jahrzehnt bestand die deutsche Verkaufs-Hitparade zu fast 80 Prozent aus englischen Werken. Dass fremde Besucher den irrigen Eindruck bekamen, in deutschen Landen werde hauptsächlich Englisch gesprochen. Zwar ließ sich dieser Irrtum stets klären, jedoch blieb für viele Landsleute ein fader Beigeschmack haften. Andere wiederum begrüßten hierzulande Titel in fremden Sprachen, mit dem etwas dümmlichen Argument: "Wenn jemand in Englisch singt, bekomme ich wenigstens nicht den Quatsch mit, den die schmettern."

Wie auch immer, die damalige Situation auf dem deutschen Plattenmarkt - gerade bei den Kurzrillen - bleibt wohl zumindest in Europa ein echtes Spezifikum. Obwohl vor allem in den Siebzigern der Markt bei deutschen 45'ern sehr heterogen zusammengesetzt war. Der weite Bogen reichte von den bekannten 08/15-Schlagern über anspruchsvolle Chansons und intellektuelle Werke der Liedermacher bis zu schweren Rhythmen einheimischer Rock-Bands, im Volksmund als "Krautrock" bezeichnet. Denkt nur an Gruppen wie Kraftwerk, La Düsseldorf, Novalis oder gar Franz K - die "Leichenwagen-Rocker" aus dem Ruhrpott. Lenken wir unseren Blick nun auf ein ganz spezielles Feld deutscher Songs mit sehr unterschiedlicher Güte - das Deutsche Cover.

Deutsches Cover - Segen und Fluch zugleich

Ja, bei kaum einem anderen Genre gingen (und gehen immer noch) die Meinungen so sehr auseinander wie bei den deutschen Versionen (zumeist) englischer Originale. Verständlich, während die einen mit niveauvollem deutschem Text ein eigenes Profil entwickeln, dümpeln andere im tiefen musikalischen Keller vor sich hin, verkommen nicht selten zur absoluten Lachnummer. Jedoch gibt es wie überall im Leben auch hier eine Grauzone mit vielen Nuancen. Im Detail: Wenn die Gebrüder Hoffmann & Hoffmann oder auch das bis heute leider kaum bekannte Duo mit dem abenteuerlichen Namen "Peter und der Wolf" mit viel Applaus jeweils ihre deutsche Fassungen des Simon & Garfunkel-Erfolges "The Boxer" geben, erweist sich deren Finesse, das Lebensgefühl des ruhigen Superhits mit ihren eigenen Worten bis in die letzte Note wieder zu geben. Dasselbe gilt für die "Schwarze Lady" von Lord Ulli - deutsches Counterpart von "Lady in Black", der kultigen Rock-Ballade von Uriah Heep -, die hier allerdings eine etwas andere Geschichte erzählt, trotzdem aber die düstere Atmosphäre des Originals beibehält.

Single "Bad, bad Leroy Brown" von Jerr Rix (1974), Foto: discogs.com

Gute Dienste für weitere Beispiele dieser Art leisten "Bad, bad Leroy Brown" vom Holländer Jerry Rix mit gelungenem deutschen Text aus dem Jahr 1974. Aus dem gleichen Jahr stammt auch "Irgendwann fällt der Regen" von einem gewissen Stefan Waggershausen - im Original als "A hard Rain's a-gonna fall" von Bryan Ferry, Frontmann bei den britischen Glam-Rockern "Roxy Music". Die Reihe der bemerkenswerten deutschen Nachziehern erscheint sehr lang. Dies gilt ebenso für das deutsche "Das ist nicht Liebe" des Dänen Allan Mortensen; bei 10cc hieß es noch "I'm not in Love". Nicht unter den Tisch fallen lassen wollen wir ebenso "Sehnsucht" der Cuxhavener Barden Zotty & Pit ("Sailing"), "Wir zwei, mein Hund und ich" (1975) des Rudi Carrell ("Love me love my Dog") und auch "Sugar Candy Kisses" in Deutsch von der charmanten Ramona Wulf.

ABBA in Deutsch?

Als etwas weniger gelungen darf man getrost solche Werke einordnen, welche von den üblichen Schlagersänger(innen) präsentiert wurden. Auch hier erwartet uns eine ziemliche Latte von Musikstücken: "Küsse von dir" von Rex Gildo, im Original "Save your Kisses for me" der englischen Combo "Brotherhood of Man"; desweiteren "Träumer" des einstigen Schlager-Sternchens Elke Best, das sich auf das bekannte "Dreamer" der britischen Pop-Rock-Band "Supertramp" stützt. Es folgen die fast schon obligatorischen, eingedeutschten ABBA-Highlights: als Beispiele "S.O.S." in gleich drei verschiedenen Versionen, für ein ansehbares deutsches "Fernando" sorgte dann die junge Schwedin Lena Andersson. Kurios: Fürs deutsche "Waterloo" konnte sich 1974 die Erfolgstruppe ABBA selbst begeistern. Jedoch grenzt diese Version stark an die Rubrik "Schräg/kultig". Indes reicht die Palette dieser Deutsch-Cover von so unterschiedlichen Interpreten wie Peter Alexander bis zu den "Temptations", welche ihr "My Girl" - so unglaublich es klingen mag - gleichwohl in der heimischen Sprache anstimmten.

Single "Der Hund von Baskerville" von Cindy & Bert (1971), Foto: discogs.com

Kommen wir nun zur bereits erwähnten Kategorie der schrägen, aber irgendwie liebenswerten deutschen Antworten auf internationale Gassenhauer. Dabei schweben diese Titel souverän zwischen den zwei Extremen "Absoluter Trash" und "Irgendwie originell". Schon die erste Platte, um die es jetzt geht, erntet häufig Gelächter und Spott, verfügt jedoch über eine echte Fangemeinde: Anno 1971 veröffentlichte das Sänger-Ehepaar Cindy & Bert mit "Der Hund von Baskerville" nämlich den Song "Paranoid" der britischen Rockertruppe "Black Sabbath" in deutscher Sprache. Klar, die Ansichten gingen und gehen heute noch weit auseinander. "Völliger Blödsinn" erscholl es von der einen Seite - "musikalisch durchaus interessant und reizvoll" entgegnete die andere Fraktion. Auf der Seite der Schweizer Hitparade (www.hitparade.ch/) fand ein User den passenden Kompromiss "Das Lied ist dermaßen peinlich, dass es schon wieder Kult ist". Ähnliches gilt für die Kurzrille "Fuchs geh' voran" der deutschen Rockband "The Hunters" - ein Pseudonym, hinter dem sich niemand Geringeres als die "Scorpions" versteckten. Ja, ist wahr. Ihr Angebot für den Markt: "Fox on the Run" von den "Sweet" in heimischen Vokabeln.

Trash von Gerd Müller

Kult zeigt viele Gesichter. So heizt die Berliner Sängerin Ute Kannenberg - bekannt unter ihrem Künstlernamen "Tanja Berg" - ihrem Publikum stets mit ihrer rauchigen, aber angenehmen Stimme ein. Wie viele Kolleg(innen) fokussierte sie sich ebenfalls auf deutsche Songs internationaler Herkunft. Unvergesslich ihre Cover des Smokie-Titels "Don't play your Rock 'n' Roll to me" ("Denk' nicht, ich sei ein Teil von dir") und von "Walk on the Wild Side" des Musik-Genie's Lou Reed ("Hey Baby, kannst du's nicht lassen"). Beiden Werken drückte sie ihren individuellen Stempel auf, machte diese Songs zu ihren. Während der Münchner Gerd Müller - hinlänglich als "Mon Thys" bekannt - mit seinen deutschen Texten der Oldies "Sugar Baby Love" (Rubettes) und "Hot Love" (T. Rex) sehr bedenklich am Trash kratzte. Kein Wunder, die zwei Lieder zeichnen sich ja ohnehin nicht gerade durch geistreichen Text aus. Jedoch reicht's für das Attribut "Schräger Trash" allemal.

Single "Hey Baby, kannst du's nicht lassen" von Tanja Berg (1975), Foto: discogs.com

Fehlt noch ein wichtiger, na ja vielleicht ein nicht gar so wichtiger Bereich, nämlich den der wirklich lächerlichen, schlechten deutschen Fassungen. Lasst uns nur einige wenige dieser Produktionen als Streiflichter erwähnen. Ausgerechnet das Hamburger Original "Willem" wagte sich 1977 an eine deutsche Persiflage von "Disco Duck" des Radio-Moderators Rick Dees. Zwar war sein "Tarzan ist wieder da" für ein paar Lacher gut, hielt aber nicht, was das Original versprach. Keine Spur von ernstzunehmender Disco-Musik, von den Texten ganz zu schweigen. Aber gut, ansonsten gab's von Willem, dem Herz der "Rentnerband", nur Gutes. Und was wir nicht vergessen dürfen, damals war eine gänzlich andere Zeit. Gilt auch für die folgenden Beiträge zur Pop-Musik: "Barbados", der englische Bade-Song von 1975, fiel in Deutsch eiskalt durch alle musikalischen Raster. Daher der Tipp: Hört Euch lieber das Original des Reggae-Duo's "Typically Tropical" an. Zu guter Letzt verhunzten einheimische Platten-Produzenten noch das tolle "Rock your Boat" des Disco-Trio's "Hues Corporation". Um es auf den Punkt zu bringen: Gesang viel zu leise, Text katastrophal und am Beginn der Platte schien der Drummer aus dem Takt zu kommen. Schade drum. Gut, dass die Rückseite "Klopf auf Holz" um einiges besser klingt. Bleibt die Erkenntnis: Dies alles waren nur Beispiele deutscher Nachzieher. Letztendlich scheint es Geschmacksache, wem welcher Titel gefällt. Aber eben - es waren die Siebziger, und da galten eben andere Regeln.

Joachim Eiding

Quellen:

(1) www.musikansich.de

(2) www.sueddeutsche.de

(3) www.musikauflauf-radio.de

(4) www.swr.de

(5) www.nightmare-horrormovies.de

(6) www.musik-sammler.de

(7) www.best-of-80s.de

(8) www.radioforen.de

(9) www.deacademic.com

 

music4ever.de - Anekdote - Nr. 119 - 09/19