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Paradiese im Plantagenstil

Blass"Ihr seht ganz schön blass um die Nasenspitze aus!", Foto: Dietrich

Hoteliers auf den Karibikinseln St. Kitts & Nevis verwandeln alte Gemäuer auf Zuckerrohrplantagen in schmucke Herbergen.

"Welcome to the Caribbean!" begrüßt der Skipper alle Ausflügler an Bord des Katamarans. Reggae- und Soca-Rhythmen schallen aus den Lautsprecherboxen, und der Bartender mixt bereits fleißig Cocktails. So gut wie den Gästen heutzutage erging es Christoph Kolumbus anno 1493 bestimmt nicht, als er die beiden Schwesterinseln St. Kitts & Nevis in der östlichen Karibik zum ersten Mal mit seiner Karavelle umsegelte. Dem großen Entdecker verdankt St. Kitts alias St. Christopher, das zur Inselgruppe der Kleinen Antillen zählt, auch seinen Namen.

An- und Auslaufstation für Urlauber: die Hauptstadt Basseterre. Der Name klingt "très français" und ist es auch. Denn nach den Arawak-Indianern und den Kariben kamen Spanier, Briten und Franzosen auf die beiden Eilande. An die Auseinandersetzungen zwischen den Kolonialherren erinnert noch heute die Festung "Brimstone Hill Fortress". Einst belagerten französische Soldaten den Hügel rund um das britische Fort - heute kommen Besucher hierher, um Augen und Seele zu entspannen beim Blick auf das Meer. 1783 wurden die beiden Inseln endgültig Großbritannien zugewiesen. Genau zwei Jahrhunderte später schlug die Stunde der Unabhängigkeit - seitdem ist das Land Teil des Commonwealth.

Putzig wie eine Puppenstube oder das Gelände einer Spielzeugeisenbahn mutet die Mini-Metropole Basseterre an. Besonders dort, wo ihr Herz schlägt: am "Circus" mit der Berkeley Memorial Clock (einer markanten grünen Uhr) in der Mitte, flankiert von liebevoll restaurierten Häuschen aus Stein und Holz. Der Zug der Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein. Ganz in der Nähe zuckelt eine Lok mit Anhang gemächlich rund um das Eiland. Allerdings nicht, um Fahrgäste zu befördern, sondern Zuckerrohr, vom 17. bis ins 19. Jahrhundert das wichtigste Ausfuhrprodukt von St. Kitts und Nevis. Der Zuckerhandel erwies sich als äußerst lukrativ, und so kam es, dass die Kolonialherren St. Kitts "Mutterkolonie" und "Wiege" der Karibik nannten.

Mittlerweile sind nur noch wenige von ehemals 400 Plantagen bewirtschaft. Viele der alten Plantagen- und Siedehäuser, in denen Sklaven früher im Schweiße ihres Angesichts in dampfenden Kesseln rührten, beherbergen heute charmante Hotels.

Historische Bausubstanz gab und gibt es genug: Die Plantagenbesitzer brachten ihren Wohlstand in Form von eleganten Herrenhäusern zum Ausdruck. Nicht weit davon zerkleinerten ihre Bediensteten das Zuckerrohr in kegelförmigen Gebäuden aus inseleigenem Vulkangestein - zunächst sorgten die eingespannten Rinder und Ochsen für den nötigen Antrieb der Walzen, dann lieferten Wind und Wasser und im 19. Jahrhundert schließlich Dampfmaschinen die Energie. Stumme Zeugen aus diesen Zeiten: die vielen Windmühlen und Schlote. Die meisten der Anlagen waren bis zum Bau der staatlichen Zuckerfabrik 1912 im Einsatz. Damals entstand auch die Insel-Eisenbahn, die das gesamte Zuckerrohr von den Plantagen zur Fabrik brachte. Somit hatten die etwa 50 plantageneigenen Fabriken ihre Schuldigkeit getan, und niemand interessierte sich mehr für sie  …

Güldene Zitrone

"Ich liebe Antiquitäten und bin mittlerweile selbst schon eine", schmunzelt Arthur Leaman vom Plantagenhotel "The Golden Lemon" an der Nordostküste von St. Kitts. Spaß am Einrichten und Dekorieren hatte der gebürtige Amerikaner aus New Jersey bereits, als er noch für das "House and Garden Magazine" Geschichten zu Papier brachte. Es war Liebe auf den ersten Blick, als der heute 76-Jährige bei einer Reise in die Karibik das verfallene Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert entdeckte. Kurzerhand entschloss er sich, es aus seinem Dornröschenschlaf wachzuküssen und in eine schmucke Herberge zu verwandeln. Arthur hat es heute eilig, denn gleich steigt im üppig grünen tropischen Garten eine Hochzeitsparty, und da will er doch noch mal nach dem Rechten sehen. Die zahlreichen Brautpaare logieren bei ihm besonders gern in den Villen mit Patio und Privatpool zum Plantschen.

Als Arthur Leaman das Anwesen 1961 kaufte, bot sich ihm alles andere als ein erfreulicher Anblick: Das Dach des Haupthauses war bereits eingefallen, wegen des eintretenden Wassers moderten die Böden, und es gab weder fließend Wasser noch elektrischen Strom. Termiten, Ratten und Fledermäuse hatten sich dort häuslich eingerichtet. Seine Freunde scherzten damals über die "saure Zitrone" - die Arthur in zwei Jahren harter Arbeit und mit einer Investition von 100.000 US-Dollar zu einer wahrlich goldgelben Vertreterin ihrer Spezies heranreifen ließ.

Ursprünglich hatte das Haus nur sieben Gästezimmer - in einem von ihnen wohnte sogar einmal der englische Schriftsteller Graham Greene und hinterließ dort seinen Pyjama. Mittlerweile sind besonders die neu hinzugebauten Villen direkt am Vulkanstrand der Dieppe Bay bei den Gästen ein "Renner". Und wer will, kann sich im "Lemon Court" eine Eigentumswohnung zulegen.

Ottley"Wie in einem Südstaaten-Film: das Ottley's Plantation Inn", Foto: Dietrich

Im Garten Eden

Weiter auf der Inselstraße führt der Weg zum Ottley's Plantation Inn am Fuße des Mount Liamuiga. Hier macht es richtig Spaß, baden zu gehen, denn die Ruinen des ehemaligen Siedehauses umgeben den quellwassergespeisten Pool. Der Rasen ist so gepflegt, als hätte der Gärtner die Grashalme mit Wasserwaage und Schere auf gleiche Länge getrimmt. Zum gut vier Quadratkilometer großen Anwesen gehört auch ein Stück tropischen Regenwaldes; Mangos und Mandeln, Guaven und Papayas, die dort gedeihen, erfreuen den Koch und bald danach die Gaumen der Gäste.

Art und Ruth Keusch waren früher Buchhändler in Princeton, New Jersey. Zusammen mit ihren beiden Töchtern Karen und Nancy und Schwiegersohn Marty Lowell verbrachten sie ihre Ferien lange Zeit auf St. Kitts und entdeckten vor zwölf Jahren bei einem ihrer Inselstreifzüge per Zufall das verlassene Gemäuer. Ein Jahr brauchten sie allein, um das Haupthaus zu renovieren und ein zweites Stockwerk hinzuzufügen. Heute haben sie insgesamt 24 luxuriöse Zimmer - verteilt auf die alte Grand Villa und weitere schnuckelige Gästehäuser. Besonderes Schmuckstück: das English Cottage. In diesem 200 Jahre alten Bau wurde früher Baumwolle gelagert, heute lassen es sich Besucher hier in der Royal Suite gutgehen.

Eines Tages möchte Art Keusch auch einen Golfplatz bauen. Aber erst, "wenn ich nicht mehr jung bin", schmunzelt der 72-Jährige. Bis dahin können sich die Urlauber auf dem hauseigenen Tennisplatz die Zeit vertreiben, im Pool ihre Runden drehen oder sich am Ausblick auf die Nachbarinseln erfreuen. Und nachts den beiden Hausgeistern lauschen, die es auf dem Gelände geben soll  …

Platz nehmen"Bitte Platz nehmen und von St. Kitts hinüberblicken auf die Schwesterinsel Nevis", Foto: Dietrich

Romantik in der Mühle

Ebenfalls am Fuße des Mount Liamuiga logieren Urlauber im Rawlins Plantation Inn. Bereits 1977 eröffnete der damalige Käufer Philipp Walwyn ein Hotel auf dem riesigen Gelände. Sieben Jahre hatten ihn die Renovierungsarbeiten gekostet, tausende Tonnen Vulkangestein und Geröll wurden abgetragen, um einen traumhaften Garten anzulegen. 1989 kauften Paul Rawson und seine Frau Claire, eine "Kittisian", wie die Einheimischen heißen, das Haus.

Rawlins zählte in den Hoch-Zeiten von König Zucker zu den größten Plantagen auf der ganzen Insel. Heute erfreuen sich Hochzeiter an der Honeymoon-Suite in der ehemaligen Windmühle; und im 300 Jahre alten Siedehaus sitzen die Gäste gemütlich bei Lunch oder Dinner zusammen und lassen sich von der Küche verwöhnen. Die tischt Kreationen mit frischen Kräutern, Obst und Gemüse aus eigenem Anbau auf.

Heute hat das Inhaber-Ehepaar gut lachen, und das, obwohl sich anfänglich nichts Gutes für sie zusammenbraute: Nur zwei Monate, nachdem sie sich zum Kauf des Hauses entschlossen hatten, machte ihnen Hurrikan Hugo einen Strich durch die Hoteliersrechnung. Doch die beiden machten aus der Not eine Tugend, pflanzten über 60 neue Bäume und renovierten das Haus mit seinen zehn Zimmern vollständig. Wert legten sie weiterhin auf bewährt Altes, und wenn die Gäste heute durch den tipptopp gepflegten Garten lustwandeln, stoßen sie auf so manch historisches Gerät: zum Beispiel auf gußeiserne Bottiche, in denen früher Zuckerrohr zum Sieden gebracht wurde.

Siedehaus"Im Siedehaus des Ottley's Plantation Inn ging es meist heiß her - heute können sich die Gäste hier abkühlen", Foto: Dietrich

Auf Lord Nelsons Spuren

Eine Persönlichkeit von Rang und Namen vermählte sich einst im heutigen Montpelier Plantation Inn auf Nevis, der Schwesterinsel von St. Kitts: Horatio Nelson, Kommandant des britischen Flottenstützpunktes, heiratete dort im Jahre 1787 die junge Witwe Frances Nisbet. Sämtliche Honoratioren der Insel gaben sich bei diesem Ereignis ein Stelldichein, und der englische Thronfolger Prince William kam sogar aus dem fernen Großbritannien angereist, um Lord Nelson als Trauzeuge die Ehre zu erweisen. Wer auf den Spuren des Brautpaares wandeln möchte, sollte sich auf den Weg machen zur St. John's Church, wo die Hochzeitsurkunde noch heute zu sehen ist. Und im Nelson Museum bekommt man jene Teller zu Gesicht, die aus England für den großen Tag herbeigeschafft wurden.

Das Anwesen selbst stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert; seine Zuckerfabrik war bis 1933 in Betrieb. Der heutige Empfangsbereich steht noch auf den Grundmauern der alten Fabrik; ansonsten mussten die Besitzer fast alles neu bauen. Stein- und Holzelemente haben sie dabei geschickt kombiniert, so dass sie anmuten wie aus Lord Nelsons Zeiten. Die Liebe der Briten und der Royals zu diesem Haus hat bis heute nicht nachgelassen - auch Prinzessin Diana zog sich gerne hierher zurück.

Sabine Dietrich

 

Tipps für einen super Trip:


Infos: St. Kitts Tourism Authority, Internet: www.stkitts-nevis.com, E-Mail: stkitts.nevis@btinternet.com
Anreise: Mit großen Airlines wie KLM über Amsterdam nach St. Marteen oder mit British Airways über London nach Antigua und dann weiter mit karibischen Airlines wie LIAT oder Air Anguilla.

Plantagenhotels:
The Golden Lemon: am Rande eines Fischerdorfes und nah am Strand gelegen, jede Villa ist individuell mit Antiquitäten ausgestattet und hat ihren Mini-Pool. Dieppe Bay, St. Kitts, Internet: www.goldenlemon.com, E-Mail: info@goldenlemon.com
Rawlins Plantation Inn: Liebevoll gepflegte Anlage im Nordwesten der Insel mit nur zehn Gästezimmern. Das Restaurant zählt zu den besten von St. Kitts. Box 340, St. Kitts, Internet: rawlinsplantation.com, E-Mail: rawplant@caribsurf.com
Ottley's Plantation Inn: Schmuckes Plantagenhotel im englischen Kolonialstil, umgeben von üppigem Regenwald. Plantschen können die Gäste im ehemaligen Siedehaus. 24 Zimmer und Suiten, davon einige auch mit Jacuzzi oder Privatpool. P.O. Box, St. Kitts, Internet: www.ottleys.com, E-Mail: ottleys@caribsurf.com
Montpelier Plantation Inn and Beach Club: Das Haus verfügt über 17 Zimmer inmitten eines tropischen Gartens. Frischwasserpool, hoteleigener Privatstrand mit Zubringerservice. P.O. Box, 474, Montpelier Estate, Nevis, Internet: www.montpeliernevis.com, E-Mail: montpinn@caribsurf.com


Lokaltip:
Fisherman's Wharf: Direkt am Wasser, unterhalb des Ocean Terrace Inn Hotels in Basseterre gelegen. Besonders fein: Fisch und Lobster frisch vom Grill. Zu den Spezialitäten des Lokals zählt auch Conche Chowder, eine Meeresschnecken-Suppe. Reservierung unter Tel. 869/4652754

 

music4ever.de - Extra - Nr. 72 - 12/12